Mitten in Karlsfeld:Naturschutz im Corona-Frühling

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Pflanzen für Insekten, damit es im Sommer schön summt - eine schöne Idee, aber woher kommt der Samen?

Von Walter Gierlich

Schulen und Kindertagesstätten sind geschlossen, Theater und Kinos dicht, Konzerte abgesagt, Museen und Galerien lediglich im Internet zu bestaunen. Und selbst einkaufen kann man nur noch das Lebensnotwendige. Doch trotz der strengen Ausgangsbeschränkung sind immerhin Spaziergänge allein oder mit Mitbewohnern erlaubt. Dabei erlebt man in Karlsfeld wie wohl momentan überall in Deutschland ein Stück verkehrte Welt. Die Straßen im Ort sind menschenleer, selbst in der Gartenstraße, einer innerörtlichen Hauptverkehrsader, an der unter anderem das Rathaus liegt, vermisst mancher schon die Autos, deren Lärm früher gnadenlos nervte. Doch draußen im Grünen, am Karlsfelder See oder am Waldschwaigsee, an der Würm, am Würmkanal sowie im Schwarzhölzl begegnet man Scharen von lufthungrigen Spaziergängern und Radlern.

An diese wendet sich nun Erika Seidenspinner von der Karlsfelder Ortsgruppe des Bundes Naturschutz in einer Pressemitteilung. "Wir alle haben Sorgen und Ängste wegen des Coronavirus und vergessen darüber, dass das verheerende Insektensterben ins Haus steht", schreibt sie. Vor etwas über einem Jahr - einer gefühlten Ewigkeit - war das noch anders: Für das Volksbegehren "Rettet die Bienen" unterschrieben 1,7 Millionen Bürger in Bayern und im Landkreis Dachau tat dies gar jeder vierte Stimmberechtigte. Seidenspinner möchte gerade jetzt, wo man wegen des Coronavirus weder Gemälde und Skulpturen noch Dramen oder Opern anschauen kann, dazu aufrufen, über eine bienenfreundliche Gartengestaltung nachzudenken. Bei einem Spaziergang am Karlsfelder See empfiehlt sie dafür einen kleinen Abstecher zum Gehölzlehrpfad zwischen Fischweiher und Rodelberg am Westufer, wo der Bund Naturschutz 45 heimische Gehölze gepflanzt und beschriftet hat: "Eine Weide für unsere Insekten und eine Augenweide für uns." Die Kornelkirsche sei zwar fast schon verblüht, aber die Schlehe entfalte sich gerade in voller Pracht, Berberitze und Pimpernus "wollen balde kommen", wie sie mit Worten des Dichters Eduard Mörike ankündigt. "Bei der Viruskatastrophe sind wir ziemlich machtlos, bei der Bepflanzung unseres Gartens sind wir frei", so das Fazit der Naturschützerin.

Natürlich weiß auch sie, dass dem leider ein klitzekleines Problem im Weg steht: Wegen der Ansteckungsgefahr mit Sars-CoV-2 sind die Gartencenter und Gärtnereien derzeit - und möglicherweise noch ziemlich lange - geschlossen. Insektenfreundlich pflanzen kann man also nicht, aber immerhin schon mal planen fürs kommende Jahr.

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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