Mitten in Karlsfeld:Lästige Stammkunden

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Eine Horde Kanadagänse macht die Liegewiese am Karlsfelder See unsicher und hinterlässt dort angeblich täglich zwei Kilogramm Kot. Die Badegäste sind not amused

Kolumne von Walter Gierlich

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, heißt es im Volksmund. Und so erstaunt es wenig, wenn er Wiederholungen liebt, weil das Bekannte für ihn (und sie) einen besonderen Reiz hat. Um jetzt mal ganz tief in Klischees einzutauchen, seien hierzu zwei Beispiele erwähnt: Welcher Mann geht nicht mit Vergnügen zum wöchentlichen Stammtisch in der Kneipe, um sich mit seinen Kumpels über Autos und Fußball auszutauschen? Welche Frau trifft sich nicht regelmäßig mit ihren Freundinnen zum Kaffeekränzchen oder doch wenigstens auf einen Aperol Spritz zum Klatsch über die neue Haarfarbe von abwesenden Damen oder die unmögliche Garderobe der Kollegin aus dem Büro.

Natürlich lassen sich Begegnungsrituale auch noch fester institutionalisieren. Ein Theater- oder Konzertabonnent weiß, dass er auf den Nachbarsitzen in der Regel stets dieselben Personen trifft. Mit denen macht man anfangs nur Small Talk, lernt aber im Laufe der Spielzeit einiges über deren Familienleben, das Abschneiden der Kinder in der Schule und eventuelle Krankheiten. Sollte der Kulturliebhaber eine Saison lang neben wenig umgänglichen Leuten sitzen müssen, ist das auch nicht weiter schlimm. Schließlich ist man ja eigentlich nicht zum Plaudern mit den Nebenleuten da, sondern wegen des Geschehens auf der Bühne.

Fast jeder Karlsfelder hat zudem noch einen weiteren und sogar kostenlosen Stammplatz: Dort nämlich, wohin es ihn im Sommer täglich zum Baden an den See zieht. Mit den Jahren lernt er die Männer und Frauen kennen, die sich traditionell auf dem gleichen Bereich der Liegewiese ausbreiten, und kann deren Kindern beim Aufwachsen zuschauen. Natürlich freut er sich auch, wenn er sich im späten Frühjahr das erste Mal zum Eintauchen in den See überwunden hat und beim Schwimmen die beiden Entenpaare und die drei Blesshühner trifft, die diesen Platz jede Saison wieder ohne Scheu vor den alten Bekannten ebenfalls zu ihrem Revier auserkoren haben. Doch auch in diesem Jahr macht eine Horde Kanadagänse die Liegewiesen unsicher, die sich partout nicht damit anfreunden wollen, sich räumlich zu beschränken. Zu gut drei Dutzend fressen sie sich nach und nach rund um den See und vergraulen dem Stammgast dank ihrer Hinterlassenschaften von angeblich bis zu zwei Kilo pro Tag und Tier seine Badefreude. Selbst der strengste Veganer unter den Seebesuchern dürfte daher beim Anblick dieses Federviehs von einem richtig schönen Gänsebraten träumen.

© SZ vom 25.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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