Mitten in Günding:Nächtliche Party

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Wie ein Obdachloser in ein fremdes Haus eindringt und es sich gemütlich macht, während die Familie ahnungslos schläft

Von Christiane Bracht

Wer glaubt, Fiktion und Realität haben nichts miteinander zu tun, der irrt. Die Realität kann zuweilen sogar unterhaltsamer und erstaunlicher sein als ein Roman. Eine Frau aus Günding und ihre Familie allerdings, die diese Geschichte erleben mussten, fanden sie wohl weniger unterhaltsam. Aber so ist es manchmal, wer den Schaden hat, ist angeschmiert. Als die Frau am Mittwoch früh in ihr Wohnzimmer kam, traute sie ihren Augen nicht. Statt wohltuender Ordnung stand sie plötzlich mitten im Chaos: Vor dem Kamin hatte sich in der Nacht offenbar jemand ein gemütliches Lager aus Kissen eingerichtet. Das jedenfalls berichtet die Polizei. Drumherum auf dem Boden standen Kerzen, eine leere Flasche Prosecco und ein offenes Nutellaglas, das jemand genüsslich ausgeschleckt hatte. Kurz: Jemand hatte es sich richtig gutgehen lassen. Sogar ein Fläschchen Nagellack stand herum, mit dem sich dieser Jemand Hände und Füße aufgehübscht hatte. Die Gündingerin war entsetzt, und ihr Ärger wuchs noch mehr, als sie in den Keller kam und sah, dass die Sauna unter Wasser stand. Sie hatte sofort einen ihrer Söhne im Verdacht, heimlich eine nächtliche Party gefeiert zu haben. Wütend weckte sie die zwei und stellte sie zur Rede. Doch diese zeigten sich selbst erstaunt. Die Polizei begann sofort, nach dem lebenslustigen Einbrecher zu fahnden.

Lange währte die Suche nicht. Auf der Terrasse fanden die Beamten mehrere Tüten mit Kleidung, Lebensmitteln und anderen Gegenständen. Im Laufe der weiteren Spurensicherung stellte sich heraus, dass der Mann ein Handy entwendet hatte. Mit Hilfe einer App ortete man ihn. Nur zwei Kilometer von dem Einfamilienhaus entfernt saß er auf einem Feld, trug Kleider von einem der beiden Söhne und hatte eine Markentasche der Hausbesitzerin neben sich abgestellt. Die Tasche enthielt die Beute, unter anderem mehrere Portemonnaies. Es war ein 55-jähriger Oberhachinger, der wohl schon seit einiger Zeit obdachlos ist. Rund um sich herum hatte er Teelichter aufgestellt.

Wie der Mann, der sich selbst eher als freischaffenden Lebenskünstler bezeichnet, den Einbruch geschafft hatte, und warum die Familie, die die ganze Nacht im Haus war, nichts davon bemerkte, obwohl der Eindringling das ganze Haus durchsucht hatte, bleibt ein Rätsel. Der Oberhachinger wollte sich nicht äußern. Den Schaden am Haus schätzt die Polizei auf mehrere 1000 Euro. Das Diebesgut hatte indes einen Wert von etwa 2000 Euro. Ein Richter wird nun über das weitere Schicksal des Oberhachingers entscheiden, so die Polizei. Und das ist der Unterschied zwischen Fiktion und Realität.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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