Mitten in der Region:Total entspannt - bis morgen

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Wenn das Smartphone den Geist aufgibt, ist die Wut groß. Dabei lebt es sich ohne das Ding doch gar nicht so schlecht

Von WOLFGANG SCHÄL

Um es gleich zu sagen: Handys sind das Überflüssigste überhaupt. Und total lästig. Immer erreichbar sein, immer aufpassen, dass das kostbare Stück nicht irgendwo liegen bleibt, runterfällt, nass wird oder geklaut. Auch wenn die Leute überall wie in Hypnose draufstarren: Ein Handy braucht keiner, am allerwenigsten unsereiner, der mit dem schwarzen Wählscheibenmonster großgeworden ist. Mit einem echten Hörer und einer Gabel zum Auflegen, manchmal sogar zum Aufknallen. Garantiert ohne Werbung, ohne ein Display, das für grobe Männerhände viel zu klein ist, ohne das Auge des großen Bruders, das unseren Aufenthaltsort erspäht, wo immer wir sind. Und ohne Viren, die immerfort auf der Lauer liegen.

Dieses genial einfache, auf keine Weise zu verbessernde Gerät hieß Telefon. Es stand im Wohnzimmer und war nie kaputt. Einfach nie, jahrzehntelang, es wurde irgendwann voll funktionsfähig ausgemustert, schwarz und glänzend wie am ersten Tag. Das war undankbar und ein großer Fehler, denn Smartphones geben schnell mal ihren Geist auf, wie in unserem Fall soeben geschehen. Nach weniger als sechs Monaten schon. Sind einfach zu sensibel, diese Dinger. Wie war es möglich, dass man darüber einen Wutanfall bekommen konnte, das blöde, hypermoderne Miststück am liebsten an die Wand geschmissen hätte? Fast zwei Wochen ist das jetzt her.

Mittlerweile haben wir uns längst wieder beruhigt, sind nicht mehr ganz so leicht erreichbar, bekommen Nachrichten auf dem vorsintflutlichen PC, der zehnmal so groß wie ein Telefon ist, und siehe, es ist das Unvorstellbare eingetreten: Wir vermissen das blöde Handy plötzlich kaum noch. War da mal was? Können wir irgendwo sitzen, ohne das strahlende, pulsierende Objekt der Begierde vor uns auf den Tisch zu legen, in Erwartung einer SMS-Nachricht, die das ganze Leben verändert, besser, schöner, reicher macht? Na klar. Wir sind so entspannt wie nie. Und zwar noch genau bis morgen. Wenn das blöde Teil dann nicht repariert ist, dann allerdings ist Schluss mit lustig. Und zwar sowas von!

© SZ vom 15.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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