Höchstens mit dem Allerwertesten übers Leintuch", meinte die Oma immer und holte damit all die kühnen Spinnereien ihrer Kinder und Kindeskinder auf den Boden der Tatsachen zurück. Nein, wollte sie einem damit bedeuten, weder ich noch du, keiner von uns wird je auf den Äußeren Hybriden spazieren gehen oder im Basar von Istanbul einen Mocca trinken. In vielem sollte die Großmutter recht behalten, es blieben Träume. Sie selbst hat die Welt lieber via Fernseher und Buch bereist, und schon eine Fahrt in die nächste Stadt oder der Besuch eines VHS-Kurses schien ihr allzu mühsam. Lange vor der digitalen Zeitrechnung ist sie gestorben, doch man möchte wetten, wenn sie's erlebt hätte, schnell hätte sie sich mit Zoom oder Teams vertraut gemacht. Weltneugierig, aber bequem wie sie nun mal war.
Bei einer Tasse guten Brühkaffee hätte sie dann, klick, klick, klick, via Online-Vortrag den Erdball umrundet oder wunderbar unnützes Wissen in sich aufgesogen. Reisewarnungen, Reiseverbote, Ausgangssperren, das alles hätte dieser konsequent sesshaften Frau rein gar nichts ausgemacht. Beim Corona-Online-Angebot, das etwa die VHS oder die Bildungswerke ihrem Publikum servieren, wäre sie bestimmt ausdauernder Gast gewesen. Oma hätte unterm dichten Dschungeldach in Papua-Neuguinea unbekannte Stämme getroffen oder die Donnerdrachen von Bhutan bewundert. Vielleicht hätte sie sogar versucht, Opa nach Anleitung eines Online-Kochkurses eine vietnamesische Pho-Suppe zu brauen.
Sorgen, dass sich die Großmutter in all dem virtuellen Dauerrauschen verloren hätte, wären unbegründet gewesen, denn sicherlich hätte sie sich vom Kurs "Noch im Irrgarten oder schon im Labyrinth?" anleiten lassen und via Zoom die Labyrinthe in der Region zielsicher erkundet. Und wer weiß, sie, die Unsportliche, hätte sich vor dem Rechner gar zu einem Qigong-Seminar für Senioren aufgerafft und gelernt, wie man "die Wolken teilt und fliegt wie eine Glücksgans".