Mitten in der Region:Es kommt auf den Hut an

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Wer nicht in der Lage ist, den Champignon vom Knollenblätterpilz zu unterscheiden, der kann Gift darauf nehmen, dass sein Leben keinen Pfifferling mehr wert ist

Kolumne Von Michael Morosow

Steht der Tierarzt im Saustall und hält Ausschau nach dem Bauern, der mitten zwischen den Säuen und Ferkeln steht. "Der mit dem Hut ist es", verrät ihm der Knecht. Ja, die Verwechslungsgefahr - überall ist sie gegeben, allzumal in der Politik, wo sich große Staatsmänner seit jeher gerne Doppelgänger halten. Diese bekommen gerade dann ihren großen Auftritt, wenn das Original Angst um seine Unversehrtheit hat. So auszusehen wie Kim Jong-un oder Donald Trump und dann auch noch als Zielscheibe herhalten zu müssen - das Leben von Doppelgängern ist nicht immer so prickelnd wie beim Doppelten Lottchen.

In der Natur kommen Doppelgänger aber nicht nur in Gestalt eineiiger Zwillinge vor, sondern seit geraumer Zeit auch als Klone. Denken wir nur an das Schaf Dolly oder an unseren einstigen Landesvater Edmund Stoiber. Der hat, das unterstellen wir ihm, bei wichtigen Auftritten, wie etwa der legendären Transrapid-Rede, sein zweites Ich, den sicher geklonten Kabarettisten Wolfgang Krebs, in die Bütt geschickt. Einmal freilich hat der Humorist zu sehr auf den Putz gehauen mit seiner These, dass man mitsamt dem Hauptbahnhof in zehn Minuten zum Flughafen fliegen kann - oder so ähnlich.

Per se aber, das muss man festhalten, geht von Doppelgängern keine Gefahr für Leib und Leben aus - mit wenigen Ausnahmen. Die aber schießen seit Wochen wie Pilze aus dem Boden: Schwammerl. Im Wald sieht man seit Wochen die Sammler mit Korb und Messer. Für sie macht die Kaufmännische Krankenkasse Halle jetzt wieder einmal darauf aufmerksam, wie ungut es ausgehen kann für den Sammler, wenn er zum Beispiel statt eines Wiesenchampignon dessen Doppelgänger, den Grünen Knollenblätterpilz, verspeist. Der Pechvogel wäre schneller im Himmel als Stoiber am Flughafen.

Dabei müsste er, wie der Tierarzt im Saustall, nur auf den Hut achten. Tödlich ist der falsche "Champignon", wenn sein Hut hell bis olivgrün und seine Lamellen weiß oder blassgrün sind und nicht rosa, braun oder schwarz wie beim Original. Lebende Schwammerlsucher mit erwiesener Farbenuntüchtigkeit wird es deshalb nicht viele geben. Der Hut macht den Unterschied - das gilt auch im Falle des giftigen Satansröhrlings, der bis auf seinen hellen Hut dem schmackhaften Flockenstieligen Hexen-Röhrling gleichsieht. Die Hutfrage entscheidet auch beim Reherl über Leben und Tod. Wenn das Reherl einen orangebraun gefärbten Hut aufhat, dann ist es kein Reherl, sondern ein Spitzgebuckelter Raukopf, und wer den isst, kann Gift darauf nehmen, dass sein Leben keinen Pfifferling mehr wert ist.

Wer an diesem Wochenende in die Schwammerl geht, muss davor aber nicht seine letzten Dinge regeln. Die größte Verwechslungsgefahr im Herbst geht von den gut mundenden Maronen aus. Sie kann man leicht mit den noch besser schmeckenden Steinpilzen verwechseln.

© SZ vom 19.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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