Mitten in der Region:Das Leuchten über dem Wahnsinn

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Die Farbe der Lichterkette verrät viel über den Charakter des Menschen

Kolumne von Franziska Langhammer

Im Vergleich zum Weihnachtsfest weist einer seiner dekorativen Aspekte zwar eine relativ kurze Historie auf, doch immerhin schon seit mehr als 120 Jahren gibt es Lichterketten. Bereits 1895 sollen an der Tanne im Weißen Haus elektrische Kerzen geblinkt haben; erst 1901 waren die rauchfreien Lichtspender dann auch für die strombeziehende Allgemeinheit verfügbar. Verzaubert von Lämpchen und Lichtchen ist auch heute noch ein Großteil der adventsfreudigen Menschen - Tendenz steigend.

Anders ist kaum zu erklären, warum es im Landkreis landauf, landab von Balkonen und Fensterbrettern schimmert und glüht, leuchtet und funkelt, sobald sich der Abend über den vorweihnachtlichen Wahnsinn senkt. Mit der Nachfrage steigt natürlich auch das Angebot, und hier kann es schnell unübersichtlich werden: Was passt besser in die Krone meines Apfelbaums, blaue oder gelbe Leuchten? Wieso nicht mal einen grün strahlenden Stern ins Küchenfenster hängen? Höchste Zeit also für eine kleine Typologie der Lichterketten.

Kaltes Weiß oder Blau: Hier hat jemand entweder nicht richtig auf die Packung geschaut. Oder diese brutale Lichtkombi wurde mit Absicht gekauft, von Snowboardern, Schneefreaks, amerikanischen Staatsbürgern. Oder von Lokalpatrioten, die ihrer Hausfassade einen bajuwarischen Anstrich geben möchten. Wer bunte Lichterketten im Vorgarten baumeln lässt, hat eine sentimentale Ader, hört "Last Christmas" in Dauerschleife und trifft sich seit 30 Jahren an den Feiertagen mit Schulfreunden, um über alte Zeiten zu reden. Grün blinkt es bei den ewigen Nein-Sagern, den Querulanten, die keine Angst vor Misstönen haben, auch nicht zur Weihnachtszeit.

Eine komplett weiße Weste hat, wer sich traut, ein rotes Blinklicht in seine Fenster zu hängen. Warmweiß ist bei Nostalgikern zu finden, bei denen nicht nur zur Geburt des Christkinds weihnachtliche Gefühle aufkommen. Warmweißler besuchen urige Weihnachtsmärkte und backen seit Jahrzehnten Lebkuchen nach dem Rezept ihrer Urgroßmutter. Wer noch unschlüssig bezüglich seiner Weihnachtsbeblinkung ist, dem kann man nur raten: sich ein ferngesteuertes LED-Rentier anzuschaffen. Das wechselt von allein die Farben.

© SZ vom 23.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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