Mitten in Dachau:Workout zwischen den Gleisen

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Wie die Bahn hilft, dass bei ihren Fahrgästen die Pfunde purzeln

Kolumne von Christiane Bracht

Die Flocken tanzen. Dicke weiße Häubchen liegen auf Autos, Büschen und Wegen. Einfach märchenhaft! Doch draußen ist es ungemütlich kalt. Der Wind pfeift um die Ecken. Die Stiefel bleiben im Schneematsch stecken und ohne dass man sich's versieht, rutscht man auch noch oder bekommt nasse, kalte Füße. Drinnen dagegen ist es schön kuschelig warm. Eine heiße Tasse Tee, Kerzenlicht, gemütliches Sofa: Von hier aus lässt sich der Winter prima genießen. Warum also raus? Die Vorsätze zum neuen Jahr, nun ja... Eigentlich wollte man die weihnachtlichen Festtagssünden, die sich sanft und weich auf die Hüften gelegt haben, abtrainieren. Joggen stand auf dem Programm. Wie soll man sonst die Pfunde wieder loswerden? Der Geist ist willig, der Körper träge. Morgen ist ja auch noch ein Tag.

Der Schweinehund scheint übermächtig, gut dass es heimliche Helfer gibt, ihn zu besiegen. Gut, dass es die Deutsche Bahn gibt. Ein Termin in München steht an, man kommt zum Dachauer Bahnhof. Der Zug ist schon da. Besser geht's nicht. Es ist nicht das übliche Gleis. Aber was macht das schon? Die Leute steigen ein, sind erleichtert. Keiner muss in der Kälte warten. Man sitzt, schaut, redet, liest. Doch die S-Bahn bleibt einfach stehen. Da rauscht auf dem anderen Gleis ein Zug zum Ostbahnhof herein. Die Leute stürzen hinaus, die Treppen hinunter durch den Tunnel und wieder hoch zum Bahnsteig. Es ist sind bestimmt 200, alle etwas nervös. Die ersten erreichen die oberen Stufen, doch da gehen die Türen schon piepsend zu. Noch bevor der erste den Zug erreicht, setzt er sich in Bewegung. 200 Augenpaare schauen fassungslos der S-Bahn hinterher. Keine Ansage, keine Anzeige, nur eine leichte Schneefahne, die durch die Luft wirbelt.

Langsam machen sich die Leute wieder auf den Rückweg: Treppe runter, Treppe rauf. Man kommt ins Schwitzen. Der Ärger wächst. Misstrauisch stellen sich diesmal einige ans Fenster. Es dauert nicht lang, da kommt die nächste S2 - wieder auf dem anderen Gleis. Die Leute stürmen erneut los. Die ersten rennen hechelnd die Treppen hinauf - und haben Glück. Die Langsameren schauen der Bahn wieder nur frustriert hinterher. So kommt man in Schwung. "Fitnesstraining à la Bahn", schimpft einer.

Irgendwann setzt sich der Zug von Gleis vier doch noch in Bewegung - Richtung Erding. Wozu also die ganze Aufregung und Anstrengung?

© SZ vom 11.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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