Mitten in Dachau:Wie hinter Wiedenborstel

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In sechs Monaten ist Weihnachten. Überall wird es wieder stimmungsvoll leuchten - nur nicht in der Münchner Straße in Dachau

Von Gregor Schiegl

Hohoho, klingelingeling! In sechs Monaten ist schon wieder Weihnachten, und in Dachau wird es herrlich kitschig, mit Budenzauber, Glühwein, Jingle-Bells und elektrischen Rentieren an Häuserfassaden. Ja, es ist schon wieder Halbzeit auf der Rennbahn der Zeit zum nächsten Fest der Liebe, der Kalorien und stimmungsvoll verballerten Kilowattstunden. Überall leuchtet es und blinkt, blingelingeling. Nur nicht an der Münchner Straße, da wird es duster bleiben wie hinter Wiedenborstel. Auch diesmal gibt es keine Weihnachtsbeleuchtung. Dunkeldeutschland mitten in Dachau. Oh, oh, oh!

Ein Kulturpessimist würde jetzt Loriots Opa Hoppenstedt zitieren: "Früher war mehr Lametta." Aber während Lametta schlichtweg aus der Mode gekommen ist, hakt es bei den Lichtergirlanden am lieben Geld. 100 000 Euro kostet die Festbeleuchtung am Dachauer Entrée, was wahlweise 80 Hektolitern Glühwein, 40 000 Schokonikoläusen oder 50 000 Kubikmetern Kunstschnee entspricht. Die Stadt schießt die Hälfte des Geldes zu, schneekanonenartig, flotte 50 000 Euro. Das sind eine Menge Flocken, aber ebenso viele müssen auch die Geschäftsleute an der Münchner Straße zuschießen, und die kratzen sie jetzt mühsam zusammen, Flöckchen für Flöckchen. Auch die Bürger sollen mithelfen und spenden, auf dass die Münchner Straße 2017 wieder leuchte und locke - und zwar in die Läden.

Nun ist es jedem unbenommen, Geld zu sammeln, wofür er will: für den Weltfrieden, für den Bau einer Pupsmaschine oder eben für Weihnachtsbeleuchtung. Aber wenn die Stadt diese Werbemaßnahme schon zur Hälfte mit Steuergeldern subventioniert, muss dann wirklich der Kunde noch mehr reinbuttern? Der Kunde ist König. Würden die Holländer ihren Willem Alexander anschnorren? Wohl kaum. Wenn die Geschäftsleute sich endlich mal zusammenraufen würden und alle mal zusammenlegen, stünde dem Weihnachtswunder auch nichts mehr im Wege. Klingelingeling!

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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