Mitten in Dachau:Schweigen ist Balsam

Heute ist Kommunikation in allen Lebenslagen gefragt. Da kann sich ein harmloser Infekt im Hals zum reinsten Horror entwickeln

Von BENJAMIN ENGEL

Früher konnten Männer noch Weltruhm erlangen, ohne viel zu sagen. In den Italo-Western der Sechzigerjahre verkörperte Clint Eastwood das Paradebeispiel des wortkargen Helden. Er öffnete den Mund allenfalls für seine Zigarren. Zugegeben: Um sein zumeist blutiges Handwerk zu vollenden, brauchte er in diesen Rollen auch nicht viel mehr. Doch die Zeit solch großer Schweiger scheint fast unwiederbringlich dahin. Heute ist Kommunikation in allen Lebenslagen gefragt, und das, wie moderne Berater betonen, möglichst noch im persönlichen Gespräch: im Job, in der Familie und auch überall sonst.

Da kann sich ein scheinbar harmloser viraler Infekt schon einmal zum reinsten Horror entwickeln. Zuerst kratzt der Hals beim Schlucken nur ein wenig. Doch dann ist auf einmal die Stimme fast weg. Der vom Infekt Befallene bekommt kaum mehr als ein heiseres Krächzen heraus. Ein echtes Problem, besonders für einen Journalisten. Manche werden jetzt sagen: Da gibt es ja immerhin noch die digitalen Medien. Und mit denen lässt sich ja heute jederzeit und überall vollkommen stimmlos kommunizieren.

Doch nicht immer reichen E-Mails oder andere soziale Medien im Internet aus, um wirklich alles zu verstehen. Dann ist wieder Reden gefragt. Und deshalb schnell zum Arzt in Dachau. Vielleicht hat der ja ein Wundermittel zur Hand. Doch sein enttäuschender Rat: Einfach mal ein paar Tage möglichst wenig sprechen, dann wird es schon wieder. Manchmal ist Reden also doch Silber und Schweigen Gold.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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