Mitten in Dachau:Rentenpolitik und Verkehrssicherheit

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Leute im besten Rentneralter steuern ihr Auto in volltrunkenem Zustand am helllichten Tag durch Dachaus Straßen. Was ist da los?

Von Helmut Zeller

Ein doch eher ungewöhnliches Phänomen beschäftigt die Dachauer Polizei zusehends: Immer mehr ältere Semester setzen sich betrunken hinters Steuer ihres Wagens. Nun dürfen selbstverständlich auch ältere Generationen Wein oder Bier zusprechen. Bisher aber waren die Beamten Trunkenheitsfahrten viel mehr von jüngeren oder Verkehrsteilnehmern mittleren Alters gewöhnt. Erst vor Kurzem kurvte eine 75-jährige Dachauerin mit ihrem Auto orientierungslos auf dem Parkplatz eines Supermarktes an der Schleißheimer Straße herum - und fuhr prompt einer Frau über den Fuß. Die Ursache: Die Seniorin hatte ordentlich getankt, ihr Blut wies mehr als zwei Promille Alkoholgehalt auf. Am Donnerstagnachmittag entsorgte nun eine 72-jährige Dachauerin Biomüll im Wertstoffhof Dachau Ost. Eigentlich vorbildlich. Leider befand sich aber ein Müllcontainer im Weg. Sie krachte dagegen. Anschließend streifte sie noch einen stehenden Pkw. Die Polizisten nahmen einen Alkotest, bei dem eine "nicht unerhebliche Alkoholkonzentration" festgestellt wurde. Wie viel genau, wollte die Polizei diesmal, wohl aus Respekt vor dem Alter, nicht mitteilen. Wohl gemerkt, das waren keine Trunkenheitsfahrten etwa nach einem Kaffeekränzchen inklusive Likör oder einem Klassentreffen, bei dem man in lebhafter Erinnerung an gewisse Pauker zu tief ins Glas schaut. Nein, Frauen und Männer im besten Rentneralter steuern ihr Auto in volltrunkenem Zustand am helllichten Tag durch Dachaus Straßen.

Da stellt sich die drängende Frage: Was ist geschehen? Abgesehen davon, dass das mit der Altersweisheit eh nicht stimmt. Eine profunde Antwort kann nur eine psychologisch-soziologische Studie geben - aber rasch, bevor die Lebern der gefährdeten und gefährlichen Senioren schlappmachen. Vielleicht wirkt da der Jugendlichkeitswahn. Oma und Opa wollen zeigen, dass - wie gewisse Alkoholwerbungen der Jugend einflüstern - sie voll gut drauf sind. Ich trinke, also bin ich. Vielleicht aber müssen sich die Rentner den Ruhestand schöntrinken - weil mit den paar Kröten, die ihnen eine brutale Rentenpolitik hinwirft, er alles andere als schön und geruhsam ist.

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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