Mitten in Dachau:Perfekt für ein Selfie

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Junge Leute fotografieren sich mit dem Handy gern selbst, um ihr Ego zu stärken. Ein 19-jähriges Mädchen stand jetzt vor Gericht, weil sie eine Rival in zu einem perfiden Selfie zwang

Von Benjamin Emonts

Was für den selbstverliebten Narziss einst sein Spiegelbild war, ist für den Menschen im Jetzt das Selfie. Die digitalen Schnappschüsse eignen sich einfach zu gut, um sich und sein besonders schönes, ja, überaus glückliches Leben öffentlich darzustellen. Bin ich total verliebt, poste ich ein Foto mit dem Herzallerliebsten, natürlich küssend. Bin ich auf Reisen, bilde ich mich vor dem Macchu Picchu mit ein paar Einheimischen ab. Die Botschaft - man kann sie nicht oft genug wiederholen - ist stets die gleiche: Ich bin mega glücklich, komme viel rum in der Welt, sehe gut aus und bin sportlich: Ich, ich und nochmals ich.

Geradezu innovativ, allerdings kriminell war die Selfie-Idee einer 19-jährigen Frau aus dem Landkreis Dachau. Die Schülerin fühlte sich von einer Bekannten, die ihr angeblich den Freund ausgespannt hatte, hintergegangen und betrogen. In Pasing kam es schließlich zu einem Treffen zwischen den beiden. Dabei drohte die zierliche, eigentlich harmlos wirkende 19-Jährige ihrer Bekannten Schläge an. Vermeintlich zuvorkommend zeigte sie ihr aber auch einen schmerzfreieren Weg der Sühne auf: Die Bekannte sollte ihr einen Kuss auf den nackten Hintern geben - und ein Selfie davon machen. Dazu kam es dann tatsächlich auch. Und zu einer Ohrfeige obendrein.

Das Selfie tauchte später - damit es seinem Sinn auch gerecht wird - für kurze Zeit im Internet auf. Weil die Geschädigte Anzeige erstattete, musste sich die 19-Jährige am Montag wegen Nötigung und Körperverletzung vor dem Amtsgericht Dachau verantworten. Dort gab sich die Schülerin "einsichtig, reumütig und geständig", wie Amtsrichter Daniel Dorner in seiner Urteilsbegründung verkündete. Er verurteilte die Frau zu 32 Sozialstunden bei der Brücke Dachau, einem Verein zur Resozialisierung straffällig gewordener Jugendlicher, und zu einem "gruppendynamischen Wochenende für Mädchen". Von ihren Eltern hatte die 19-Jährige bereits einen Denkzettel in Form von Hausarrest bekommen. Den Gerichtssaal verließ die Schülerin mit einem zufriedenen Lächeln - das wäre der perfekte Moment für ein Selfie gewesen. Vielleicht ja mit dem Richter?

© SZ vom 10.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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