Mitten in Dachau:Parcours des Verderbens

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Der Glückshafen ist die einzige geschützte Zone auf dem Dachauer Volksfest. Ansonsten lauert die Gefahr überall. Kaum ein Besucher wird es unbeschadet überstehen. Doch wie sagen die Briten dieser Tage: No risk, no fun

Kolumne von Gregor Schiegl

Wer schon mal gegen seinen Hamster Schach gespielt hat, wird bestätigen: Wo man nicht verlieren kann, kann man auch nichts gewinnen. Wir brauchen das systemische Risiko als Herausforderung, sonst könnten wir ja gleich im Bett bleiben, oder, wie der britische Philosoph Boris Johnson mal gesagt hat: No risk, no fun. Weshalb das Dachauer Volksfest, das an diesem Wochenende losbricht, als besonders lustig gilt, lustiger sogar noch als Haushaltsarbeiten, obwohl - das belegen die Statistiken - der Haushalt eine einzige Todesfalle ist, eine Hölle kippender Stühle, ätzender Abflussreiniger, tödlicher Stromschläge, von außer Kontrolle geratenen Staubsaugern ganz zu schweigen.

Inzwischen weiß man auch, dass nur wenige das Volksfest unbeschadet überstehen werden. Was man auf der Thoma-Wiese errichtet hat, ist ein einziger bunt blinkender Parcours des Verderbens. Kinder dürfen am Glückshafen keine Lose mehr kaufen, das ist die einzige Schutzmaßnahme, weil es sich kein Gemeinwesen leisten kann, dass eine ganze Generation der Spielsucht verfällt und sämtliche Ersparnisse mit Losen für Plüschtiere verzockt. Gefahren bleiben genug. Der Verzehr von Maiskolben schafft Räume zwischen den Zähnen, in die zerstörerische Zuckerwatte dringt, Hendl und Schweinsbraten treiben die Blutfettwerte in lebensbedrohliche Höhen, und was von der Leber noch übrig ist, wird vom billigen Bier hinweggeschwemmt.

Auch die Fahrgeschäfte geizen nicht mit Gefahren: Autoscooter provozieren schwere Bandscheibenvorfälle, Geisterbahnen, wenn sie ihren Job zur Abwechslung mal gut machen, traumatisieren ihr Publikum für den Rest seines Lebens. Taube Menschen taumeln aus dem Bierzelt, sofern die Dauerbeschallung mit "Skandal um Rosi" da nicht schon einen anaphylaktischen Schlagerschock verursacht hat, dem nur noch durch eine gezielte Gabe von Zwölftonmusik beizukommen ist. Fallende Maßkrüge oder fehlgeleitetes Hendlbesteck bereiten weiteren Nervenkitzel. Und wer den Adrenalinkick zum Äußersten treiben will, tut das am besten durch eine krasse Reduzierung der Sauerstoffzufuhr, zum Beispiel durch ein zu enges Dirndl. Und jetzt: viel Spaß!

© SZ vom 10.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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