Mitten in Dachau:Oberflächlich betrachtet

Lesezeit: 1 min

Die Dachauer sind sehr sensibel, wenn es um Hakenkreuze geht. Selbst wenn man Fantasie braucht, um sie zu sehen

Von Viktoria Großmann

Dachau von unten betrachtet, das ist die Stadt, in die täglich Touristen aus aller Welt kommen. Dachau, Lern- und Erinnerungsort, in dem die hellen wie die dunklen Sehenswürdigkeiten vorbildlich zweisprachig ausgeschildert sind. An diesem Samstag beginnt die Internationale Jugendbegegnung im Jugendgästehaus. Dachau von unten ist eine Stadt, die sich gerne weltoffen gibt.

Dachau von oben ist da schon eine ganz andere Sache. Im bunten Entwurfsplan für das MD-Gelände kreuzt zwischen rot eingezeichneten Häuserblocks beige-gestreift von Südost nach Nordwest eine neue Planstraße die Ostenstraße. Weil sie an beiden Enden in einen Platz mündet, brauchen manche Menschen wenig Fantasie und kaum Verschwörungsgeist, um hier die Form des Machtinsignes jener Partei zu erkennen, die Dachau auf so unliebsame Weise weltberühmt gemacht hat. Ein Teilnehmer der Bürgerbeteiligung zur Gestaltung der Industriebrache schrieb der Stadt auf einen Zettel: "Hakenkreuzförmige Straßenführung unbedingt ändern."

Ein Auftrag, den Grünen-Stadtrat Thomas Kreß in der jüngsten Stadtratssitzung zu seinem machte, denn: "Auf Google Earth wird das einmal die ganze Welt sehen." Aus der konservativen Ecke brummte es, dann müsste in Zukunft auf jegliches Schachbrettmuster verzichtet werden. SPD-Stadtrat Sören Schneider setzte auf den freundlich verwischenden Effekt des kontrastarmen Luftbildes. Ist aber eine Hakenkreuzstraße keine Hakenkreuzstraße mehr, nur weil sie auf dem Luftbild nicht als solche erkennbar ist? Und ist es ratsam, diese Form zu verschatten, zu begrünen - zu verdecken? Nehmen sich die Dachauer mal wieder wichtiger als sie sind? Oder wollen einige etwas nicht wahrhaben? Würde diese Diskussion in irgendeiner anderen Stadt der Welt auch geführt? Ach, Dachau, du hast es nicht leicht. Am besten man bleibt am Boden. Auf dem Amper-Radweg. Den kann von oben garantiert keiner erkennen.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: