Mitten in Dachau:Nie allein bei Sonnenschein

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Bis vor kurzem, als es noch kalt war und regnete, hatte man den Hofgarten am Schloss fast für sich. Damit ist es jetzt vorbei

Von Anna-Sophia Lang

Liebhaber des Hofgartens am Dachauer Schloss haben es in diesen Tagen nicht leicht. Bis vor kurzem, als es noch kalt war und regnete, war die Anlage für sie ein friedlicher Rückzugsort. Durch den Hofgarten zu gehen, bedeutete, 15 Minuten lang kein Telefon abzuheben, keine Fragen zu beantworten und vor allem: keiner Menschenseele zu begegnen. Pure Glückseligkeit.

Doch damit ist es jetzt vorbei. Der Frühling ist da. Und mit ihm viele Menschen, die auch etwas vom Hofgarten abhaben wollen. Kaum scheinen die ersten Sonnenstrahlen länger als ein paar Minuten auf die Stadt herab, kaum zwitschern die Vögel, kaum öffnen die Eisdielen in der Stadt zum ersten Mal ihre Türen, pilgern die Dachauer den Altstadtberg hinauf. Auf den Bänken strecken sie sich aus und recken ihre Gesichter der Sonne entgegen. Knutschende Pärchen schmiegen sich aneinander. Gruppen von balzenden Teenagern buhlen um die Aufmerksamkeit ihrer Angebeteten. Touristen stehen vor der neuen Panoramatafel und rufen lautstark, wenn sie das zur Zeichnung passende Objekt am Horizont entdeckt haben: "Ah, da ist der Olympiaturm!"

"Opportunisten", denkt sich mürrisch der Hofgartenbesucher, der schon bei Schnee und Sturm über die Wege gestapft ist. Dass er die Sonne auch ganz nett findet und bei jeder Gelegenheit darüber meckert, wie hartnäckig sich der Winter in diesem Jahr hält, gibt er nur im Stillen vor sich selbst zu. Hat er dann ein halbwegs abgeschiedenes Plätzchen gefunden, lässt er sich genauso genüsslich wie alle anderen nieder. Es dauert aber nicht lange, bis er Gesellschaft bekommt. So wird er, der doch eigentlich nur einen Moment Stille gesucht hat, zum unfreiwilligen Zuhörer eines streitenden Pärchens. Das ist nun nicht das, was er sich vorgestellt hat. Da der laute Ausruf "Geht alle nach Hause!" wohl nichts an der misslichen Lage ändern würde, macht er sich auf den Rückweg.

Selbst da kommt ihm am Schlossberg noch ein vorfreudiges Grüppchen nach dem anderen entgegen, mit der Kamera in der Hand, bereit, den Frühlingsanfang angemessen zu dokumentieren. Da dämmert es ihm mit wachsendem Erschrecken: Sollte Ungestörtheit im Hofgarten etwa nur im Tausch gegen schlechtes Wetter zu haben sein? Das wiederum ist auch keine schöne Vorstellung. Dann doch lieber teilen.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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