Mitten in Dachau:Mitläuferin und Leidtragende

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Ein Dachauer Schicksal: Maria Langer-Schöller, Künstlerin, Matisse-Schülerin, Mutter einer psychisch kranken Tochter, die sie vor den Nazis zu schützen versuchte, und gleichzeitig NSDAP-Mitglied. Eine Ausstellung

Von Wolfgang Eitler

Die junge Frau liegt entspannt in einem Sommerkleid auf einem Sofa. Maria Langer-Schöller hat sie in einer Zartheit gemalt, als wolle sie ihr Modell sanft streicheln. Das ganze Bild ist eine Komposition in Blau, so wie bei Cézanne oder Matisse. Wenn diese Aquarellstudie in einem der internationalen Museen zu sehen wäre, niemand würde vermuten, dass sie nicht von einem der ganz großen Künstler stammt.

Dieses Bild aus dem Jahr 1920 hängt zurzeit im Museum Altomünster in einer kleinen Retrospektive über die Matisse-Schülerin Maria Langer-Schöller. Es zeigt ihre Tochter Esther, deren Schicksal in einem bedrängend, bedrückenden Kontrast zu eben dieser Leichtigkeit steht. Denn bei Esther wurde eine Geisteskrankheit diagnostiziert. Von 1940 bis 1945 musste sich die Malerin mehrmals vor einem sogenannten Erbgesundheitsgericht dagegen wehren, dass ihre Tochter zwangssterilisiert wird. 1934 hatten die Nationalsozialisten "ein Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" verabschiedet. Esther wurde in der Heilanstalt Eglfing-Haar behandelt. Dort, wo so viele behinderte Menschen der NS-Euthanasie zum Opfer fielen.

Dieses Schicksal einer Frau in Dachau während der Nazizeit wirkt umso bedrückender, als Maria Langer-Schöller Mitglied der NSDAP war. Rückblickend würde man sie fragen wollen, wie sie solche Konflikte mit sich selbst ausgetragen und ausgehalten hatte. Außerdem würde man ihre originären Werke, also nicht den zahlreichen Volkskunst-Kitsch, denjenigen Kunstrichtungen zuordnen wollen, die von den Nationalsozialisten als "entartet" verurteilt wurden.

Kunsthistorikerin Jutta Mannes hat für die Ausstellung der Werke von Maria Langer-Schöller einen biografischen Katalog gestaltet, in dem sie diese Dachauer Biografie nüchtern festhält. Zudem erwähnt sie einen Arzt, der die Villa der Künstlerin in Dachau auf Leibrente erworben hatte. Dessen Name ist Hans Joachim Sewering. Der ehemals maßgebliche Ärztefunktionär in der Bundesrepublik war in Schönbrunn an der NS-Euthanasie beteiligt. Die Künstlerin starb 1969. Ihre Tochter Esther fünf Jahre später in Schönbrunn. Mit einer gewissen Genugtuung erzählen ältere Dachauer, dass eben dieser Arzt sehr lange, von 1955 bis 1969, Leibrente zahlen musste. "Wenigstens."

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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