Mitten in Dachau:Mit dem SUV ins Bierzelt

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Neuerdings kann mit dem Auto vor die Konzertbühne oder direkt ins Bierzelt fahren. Doch was machen die, die gar kein Auto besitzen?

Kolumne von Walter Gierlich

Wer vermisst nicht Konzerte, bei denen man zusammen mit vielen anderen Menschen zauberhaften Klängen lauscht, sich in die Melodien hineinträumen und im Takt mitbewegen kann? Streamingdienste können da ebenso wenig mithalten wie TV-Übertragungen. So ist es eine prima Idee, dass die Stadt Dachau ihren Musiksommer auf einen großen Parkplatz verlegt. Wer sich im Internet Filme bisheriger Autokonzerte - das sind nicht Konzerte, die Fahrzeuge mit Motorkraft und Hupe veranstalten, sondern Konzerte, denen man in den Blechkarossen beiwohnt - anschaut, kann sehen, wie begeistert die Zuschauer in ihren Karren herumhopsen. Nur wer Böses denkt, könnte in solchen Veranstaltungen auch ein Konjunkturprogramm für Werkstätten vermuten, die prächtig am Austausch von Federungen verdienen werden. Was aber ist mit Musikbegeisterten, die gar kein Auto besitzen? Für die könnte die Stadt ja ausrangierte Telefonzellen oder Duschkabinen aufstellen.

Anders als bei den Dachauer Pop- und Rockevents scheint es leider mit der tollen Idee von ÜB und FDP eines Drive-in-Volksfests nichts zu werden. Wie schön wäre es doch, wenn man in Lederhose oder Pseudo-Dirndl gewandet nicht zu Fuß auf die Thoma-Wiese marschieren müsste, sondern ohne jede Anstrengung bequem in seinem SUV ins Bierzelt rollen könnte. Selbst das für Trachtler unverzichtbare Messer dürfte man im Wageninneren sicherlich problemlos mit sich führen. Nur scheinen die Dachauer Erfinder diese Vision nicht vollends zu Ende gedacht zu haben. Reicht es denn bei einer zünftigen Wiesn, wenn man ein halbes Hendl durch die heruntergekurbelte Scheibe hereingereicht bekommt? Natürlich nicht. Was einen Volksfestbesuch erst zum echten Erlebnis macht, ist nun mal das Bier, gerade in Dachau, wo normalerweise die Mass zu einem in ganz Bayern konkurrenzlos niedrigen Preis ausgeschenkt wird. Nun mag jemand kritisch einwerfen, dass es wohl ganz und gar nicht gehe, sich im Auto einen oder gar mehrere Krüge des süffigen Gerstensafts hineinzuschütten. Denn natürlich wäre das ein erheblicher Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung, die Alkohol am Steuer mit Führerscheinentzug bedroht.

Aber hat nicht gerade erst der Bundesverkehrsminister, der Scheuer Andi von der CSU, angekündigt, strenge Strafbestimmungen zu lockern? Schließlich, so betont er, sei es Rasern nicht zuzumuten, ihre Fahrerlaubnis zu verlieren, wenn sie beruflich darauf angewiesen sind. Warum sollte für Gaudi-Säufer nicht dasselbe gelten? Einem feucht-fröhlichen Drive-through-Bierzelt stünde dann nichts mehr im Wege.

© SZ vom 19.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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