Mitten in Dachau:Keiner will der Erste sein

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Die Leute werden immer ungeduldiger. Aber wenn es um ihr Auto geht, beweisen sie erstaunlichen Langmut

Kolumne von Jacqueline Lang

Lediglich zwei Prozent aller Kunden warten auf ihren Aufruf für eine Kfz-Zulassung noch länger als 100 Minuten, das verkündigt das Dachauer Landratsamt auf seiner Homepage voller Stolz. Warum fragt man sich, denn auf den ersten Blick klingt das nach einer enorm langen Wartezeit und damit nach einer schlechten Nachricht, die man besser für sich behalten sollte. Tatsächlich handelt es sich aber um eine deutliche Verbesserung, denn im Jahr 2016 waren es noch sage und schreibe 15 Prozent.

Eine vermeintlich schlechte Nachricht kann vor diesem Hintergrund also tatsächlich eine positive sein. Vor allem für die offenbar sehr genügsamen Dachauer, von denen 2017 trotz allem 63 Prozent angegeben haben, zufrieden mit der Wartezeit zu sein. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass viele von ihnen sich in weiser Voraussicht einen ganzen Tag frei genommen haben, um ein Kennzeichen für ihr Auto zu beantragen. Vielleicht zeigt diese Geduld und die Bereitschaft, sogar wertvolle Urlaubstage dafür zu opfern, aber auch nur einmal mehr, dass es in absehbarer Zeit nicht unbedingt weniger Autos auf den Dachauer Straßen geben wird.

Zumindest nicht, wenn es nach den Besitzern selbst geht. Einen Strich durch die Rechnung können ihnen deshalb nur noch die Beamten machen: 2017 waren es 62 047 zu bearbeitenden Vorgängen bei lediglich 35 600 Kunden. Man könnte wohl von einem Rückstau sprechen.

Diese langsamen Mühlen der Bürokratie, vielleicht sind sie also die letzte Instanz, das letzte Bollwerk, das zumindest zeitweise verhindern kann, dass sich immer mehr Autos durch die Dachauer Straßen schieben. Denn lustig ist doch eigentlich weniger, dass man sich bei der Kfz-Zulassung über eine Wartezeit unter 100 Minuten freut, sondern vielmehr die Tatsache, dass sich zwar alle über die zunehmend schlechte Luft und rücksichtslose Autofahrer beschweren, aber niemand der erste sein will, der auf das Rad umsattelt.

© SZ vom 18.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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