Mitten in Dachau:Kahle Wände

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Stadtrat zu sein ist eine ermüdende Sache. Auf Zeichnungen und Pläne muss er blicken, wenn der Blick abschweift. Schön ist das nicht

Von Viktoria Großmann

Stadtrat sein ist ja auch kein Spaß. Kaum hat man die Füße unter dem historischen Rathaussaaltisch ausgestreckt, will die CSU, die immer linker wird, schon wieder für irgendwelche Kindergärten Geld ausgeben, referiert eine Grüne darüber, dass Ponys angeblich Schmerzen empfinden können oder wollen die Sozis die Plätze auf dem Volksfest gerecht verteilen. Dabei muss man doch nur die richtigen Leute kennen, dann findet man überall einen Platz. Außerdem: Was verstehen die vom Trinken? Die wollten ja nicht mal Weihnachten feiern und das nur wegen so einem kleinen Haushaltsstreit. Mehr gemeinsame Biere, weniger Geld ausgeben. So einfach wäre die Lösung gewesen.

Was bleibt einem in diesen ermüdenden Diskussionen als der Blick an die Wände? Doch was ist das? Wo ist das Bild von Kurfürst Max Emanuel? Dem großen Liebhaber Dachaus? Schweift der Blick an die rechte Saalwand, gähnen dem Stadtrat Zeichnungen und Pläne von Dachauer Bauvorhaben entgegen. Schön ist das nicht. Doch Gott sei dank muss der Stadtrat nicht still erdulden, was ihm da Sitzungswoche für Sitzungswoche im Rathaussaal geboten wird. Er hat eine Handhabe: Sie heißt Antrag. Als Horst Ullmann (BfD) während einer hitzigen Haushaltsdiskussion gerade keinen Stift zur Hand hatte, stellte er umgehend einen mündlichen Antrag, den Stadträten wieder wie früher gespitzte Bleistifte an die Hand zu geben. Die Katastrophe konnte er nicht verhindern: Der Haushalt wurde zunächst abgelehnt. Zweifellos weil den Stadträten die Stifte fehlten, um schnell schriftlich etwas auszurechnen.

Edgar Forster (FW) will nun eine schönere Atmosphäre schaffen. Er beantragt die "Wiederherstellung oder eine erneute Ausschmückung des Saales". "Rechts neben der Tür hingen früher bei feierlichen Anlässen Gemälde", formuliert er nicht ohne Wehmut. Nun ist entweder eine Ausschusssitzung der Stadträte kein feierlicher Anlass oder die Baupläne, die stattdessen dort hängen, werden als informativer angesehen. Am wahrscheinlichsten ist dieser Grund: Die Stadt hat die Gemälde verkauft, um von dem Geld weitere Kindergärten zu bauen. Falls dem nicht so ist, wäre es jedenfalls ein schöner Stadtratsantrag.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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