Mitten in Dachau:Herr Baumann will bauen

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Investoren können im "Stadtgespräch" die Grundsätze der Baulandentwicklung nachlesen. Diese sind dort in Form eines Dialogs aufgeschrieben - beinahe bühnenreif für die Schulaufführung

Von Viktoria Großmann

Kompliziert am Politikerdasein ist auch, dass man ständig erklären muss, was man den ganzen Tag gemacht hat. Andere schließen abends die Bürotür zu und können sicher sein, dass zu Hause keinen interessiert, was sie dahinter acht Stunden lang geschuftet haben. Der Politiker aber, der soll das mal erzählen. Und da kommt dann so was: "Ich habe für die Einführung der Dachauer Grundsätze zur Baulandentwicklung gestimmt." Der Nachtrag, dass das jetzt aber mal echt ein Meilenstein der Dachauer Lokalpolitik ist, trägt natürlich wenig zur Erhellung bei. Deshalb muss der Politiker das übersetzen. Nicht nur für die Lieben daheim, sondern auch für die, die ihn das nächste Mal wählen sollen.

In Dachau gibt es für solche Zwecke das Rathausmedienorgan "Stadtgespräch". Bemerkenswert zielorientiert wird in der aktuellen Ausgabe weniger dem durchschnittlichen Leser und Steuerzahler, sondern vielmehr direkt dem investitionswilligen Bauherrn erklärt, was denn nun diese Grundsätze sind - und zwar in Form eines Dialogs. Ein Einakter ist es fast, der da entstanden ist, versehen mit Regieanweisungen, reif für die Schulaufführung. Es treten auf: ein Stadtrat und Herr Baumann. Herr Baumann geht mit seinem Anliegen nicht ins städtische Bauamt, er geht zum Stadtrat. Was entweder heißt, dass er wenig Erfahrung mit Bauanträgen hat oder aber sehr viel und bereits gelernt hat, dass an einem netten Gespräch mit dem einen oder anderen Stadtrat kein Weg vorbei führt. Der Stadtrat erklärt nun, dass er gern auch etwas vom Investitionsgewinn des Herrn Baumann haben möchte. So weit, so realistisch.

Laut Text braucht der Stadtrat das Geld, um den Kindern der Menschen, die beim Herrn Baumann einziehen, eine Schule bauen zu können. Dem Herrn Baumann ist eigentlich egal, wofür der Stadtrat das Geld haben will, Hauptsache, es kommt zum Vertragsabschluss. Ein Formular hat der Stadtrat zufällig in der Tasche, schnell wird man sich einig. So. Damit wären glasklar die üblichen Abläufe vor Einführung besagter Grundsätze der Baulandentwicklung beschrieben. Und wie sehen sie jetzt aus? In Kürze: Investor schließt Grundlagenvertrag mit der Stadt über finanzielle Beteiligung an nötiger Infrastruktur. Interessenten sollten sich ans Bauamt wenden. Dieses befindet sich im Rathaus. Mit den Stadträten wird Herr Baumann möglicherweise lieber im ungezwungenen Rahmen sprechen. Was genau er bespricht, das wird wohl keiner je aufschreiben. Nicht einmal das Aufklärungsorgan "Stadtgespräch".

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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