Mitten in Dachau:Glühwein im T-Shirt

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Ganz Bayern steht kopf. Alle sprechen nach der Landtagswahl von einem politischen Erdbeben, schließlich ziehen Politiker der Grünen per Direktmandat in den Landtag ein, die SPD ist auf die Größe einer Minderheitenpartei geschrumpft und die CSU lädt zu Koalitionsgesprächen ein. Alle Bürgerflüstern sich panisch zu: Unser Bayern verändert sich

Kolumne von Anna-Elisa Jakob

Ganz Bayern steht kopf. Alle sprechen nach der Landtagswahl von einem politischen Erdbeben, schließlich ziehen Politiker der Grünen per Direktmandat in den Landtag ein, die SPD ist auf die Größe einer Minderheitenpartei geschrumpft und die CSU lädt zu Koalitionsgesprächen ein. Alle Bürgerflüstern sich panisch zu: Unser Bayern verändert sich.

Da ist es kaum verwunderlich, dass sich die Menschen nach wohlig-warmer Gemütlichkeit sehnen. Wahre Geschäftsleute nutzen das selbstverständlich sofort aus. So bieten nicht nur die großen Supermarktketten bereits Lebkuchen und Spekulatius an, auch die Bäckereien auf der Münchner Straße präsentieren in ihren Verkaufstheken schon das weihnachtliche Gebäck. Im Laden um die Ecke wartet die nächste Verführung: die ersten Adventskalender, vierundzwanzig Türchen voller Glück und süßer Schokolade. Ist es nicht äußerst bedenklich, wie der Einzelhandel den Bürger einzulullen versucht? Bei Schokolade, Weihnachtsduft und kleinen Rentieren auf der Verpackung wird ja sowohl der Tierschützer als auch der heimatverbundene Wutbürger schwach.

Im Netz kursiert ein Bild des ersten Weihnachtsbaumes im Landkreis, aufgestellt auf dem Marktplatz in Lansing, Drehort der Serie "Dahoam ist Dahoam". Seufz! Hier ist die Welt - Landtagswahl hin oder her - noch in Ordnung. Doch auch in Hebertshausen stehe schon die erste Weihnachtsdekoration in den Gärten, kommentiert eine Facebook-Nutzerin. Eine beruhigende Nachricht in stürmischen Zeiten. Die Politik müsse Heimat und Tradition stärken, sagt Heimatminister Horst Seehofer in Berlin. Doch was bringt das schönste Kruzifix im Rathaus oder ein Kopftuchverbot, wenn Weihnachten bei tropischen Temperaturen gefeiert wird? Glühwein im T-Shirt und Kunstschnee auf den Skipisten - da bekommt der "Untergang des Abendlandes" eine ganz neue Bedeutung. Dürften die Grünen jetzt mitregieren, würde die Rettung der weißen Weihnacht vielleicht sogar Thema im Maximilianeum werden.

Ansonsten könnte der Dachauer Einzelhandel schon mal über den Ausbau des Kunstschneeangebots nachdenken, am besten als Konfetti für den Eigenheimgebrauch. Das wäre eine zukunftsfähige Geschäftsstrategie, wenn Lebkuchen und Spekulatius allein nicht mehr ausreichen.

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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