Mitten in Dachau:Fabelwesen an der Amper

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Sieht von weitem aus wie ein Igel, aus der Nähe wie ein Biber und aus noch geringerer Distanz wie eine Riesenratte von der Größe zweier Schuhkartons. Was kann das sein? Das Internet liefert uneindeutige Hinweise

Von Gregor Schiegl

Wie bei so vielen Dingen sind auch in Flora und Fauna Tatsache und gefühlte Wahrheit zwei Paar Stiefel, die ziemlich weit auseinanderstehen. Im Killer-Ranking der Natur führt die fallende Kokosnuss mit 150 menschlichen Todesopfern weit vor der Kuh, und abgeschlagen auf dem letzten Platz schwimmt erst der Weiße Hai. Das erklärt auch, warum der Landkreis Dachau ein vergleichsweise sicherer Wohnort ist. Auch vor Wolpertingern muss man sich nicht fürchten, jedenfalls nicht als Bayer. Im Münchner Jagd- und Fischereimuseum ist zu erfahren, dass er sich ausschließlich von "preußischen Weichschädeln" ernährt. So weit, so gut.

Jüngst kam es an der Amper in Dachau zu einer denkwürdigen Begegnung. Ein Rascheln am Wegesrand lenkte den Blick auf ein Wesen, das behäbig im Lichtkegel einer Laterne saß und irgendwas im Gras suchte, jedenfalls war die Schnauze, oder womit dieses Geschöpf auch immer seinen Anfang nahm, im Boden versenkt. Gestalt und Bewegungsablauf ließen an einen Igel denken. Aber statt sich zusammenzurollen, tappte es weiter durchs Gras. Es hatte auch keine Stacheln, sondern ein schwarzes Fell und war bei näherer Betrachtung ein ziemlich großer Brocken. Kann ja nur ein Biber sein, denkt der Ahnungslose, endlich sieht man den Nager selber mal in natura, mit seinem breiten Biberschwanz. Nur zeigt sich, bereits in Handreichweite zu dem Biest: Da ist kein Biberschwanz, nur ein dünner seilartiger Schwanz, halb nackt. Eine pechschwarze Riesenratte von der Größe zweier Schuhkartons!

Natürlich glaubt einem das kein Mensch, irgendwie glaubt man es ja selber nicht. Erste Recherchen deuten darauf hin, dass es sich möglicherweise um ein Nutria handelte. Zumindest das Hinterteil und die Größe würden zu den Darstellungen im Internet passen. Viel interessanter ist das Nutria von vorne. Es hat orangefarbene Zähne, Entenfüße und Pfoten mit fünf Zehen, die es wie Finger einer Hand einsetzt. Zugegeben, das klingt alles ziemlich bescheuert und wie die Feuer speiende Finsterbergmade aus Zamonien. Aber er existiert, der Myocastor Coypus. Er ist so eine Art südamerikanischer Verwandter des Bibers und gilt als ungefährlich. Allerdings beginnt er laut zu meckern, wenn man ihn nervt. Wer sich traut, möge es selbst probieren.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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