Mitten in Dachau:Es dampft in allen Gassen

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Trotz harter Strafen und wachsamer Polizei scheint Kiffen im Trend zu liegen

Kolumne von Benjamin Emonts

Es wird derzeit viel geredet über Marihuana und speziell die Frage, ob man es erlauben sollte oder besser nicht. Besonders im Freistaat Bayern, der für seine restriktive Drogenpolitik bekannt ist, stehen immer noch empfindliche Strafen auf den Besitz und besonders den Verkauf von Cannabis, das im Kifferjargon gerne auch als Gras, Weed oder Ganja bezeichnet wird. Manchmal drängt sich inzwischen allerdings der Eindruck auf, als wäre das berauschende Genussmittel bereits legal. Bei kaum einem Spaziergang von der Altstadt zum Dachauer Bahnhof steigt einem nicht der beißende Coffeeshop-Geruch in die Nase. Auf Dachaus Straßen riecht es mittlerweile fast so krass nach Gras wie in den Gassen Amsterdams. Und der Qualm wird tendenziell immer dichter.

Über den Geruch von Marihuana lässt sich natürlich streiten. Während er für die einen überaus unangenehm ist, wirkt er auf andere durchaus ermunternd. Besonders die älteren Semester, die sich einst als Hippies bezeichneten, erinnern sich bei dem Geruch an ihre alten wilden Zeiten zurück, an legendäre Konzerte, vergangene Freundschaften und das Gefühl von Freiheit und universeller Liebe, die sie heute allzu oft vermissen. Der Edelkiffer, das lässt sich auch heute noch spüren, ist ja durchaus ein Mensch mit Hang zur Romantik und friedlicher Atmosphäre, die er am liebsten an chilligen Plätzen genießt. Die Bänkchen entlang der Amper, das verrät einem die Nase, sind sehr beliebte Plätze, um einen Joint durchzuziehen. Die zahlreichen Badeseen im Landkreis ebenso. Und die Parkanlagen der Stadt Dachau erst recht.

Kiffen ist mittlerweile schon Mainstream, eine Art Volkssport. Eine Party, auf der nicht gekifft wird, gilt schon fast nicht mehr als Party. Eine Wohngemeinschaft, in der nicht mindestens ein Mitbewohner den ganzen Tag stoned ist, kommt einem schon merkwürdig vor. Wenn junge Menschen neben einem an der Kasse des Dachauer Bahnhofskiosks stehen, kaufen sie natürlich nicht die kleinen weißen Zigarettenpapiere, sondern die langen durchsichtigen, die sich zum Rollen von Tüten am besten eignen. Es dampft einfach überall.

Dem legendären jamaikanischen Sänger Peter Tosh, der den Reggae mitbegründet hat und 1987 leider ermordet wurde, würde es auf den Straßen Dachaus mit Sicherheit gefallen. Sein mit Abstand berühmtester Song dröhnt noch heute aus den VW-Bussen an den gemütlichen Plätzen dieser Welt. Der Titel und Refrain lautet kurz und prägnant: "Legalize it!"

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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