Mitten in Dachau:Ente gut, alles gut

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Im Tierreich geht es sehr gefährlich zu - wie Passanten auf einer Amperbrücke am Beispiel einer Entenfamilie beobachten konnten

Kolumne von Gregor Schiegl

Wenn man in den Achtzigerjahren aufgewachsen ist, wundert man sich, wie man es geschafft hat, seine Kindheit zu überleben. Man wurde von saurem Regen benieselt, zwischenzeitlich auch von radioaktivem. Man raste steile Berge mit dem Fahrrad runter, ohne Helm, aber mit defekten Bremsen. Und ja, man überschlug sich mehrfach, zog sich aber wundersamerweise nur Schrammen an Händen und Knien zu. Man kletterte auf Bäume und krachte mit dem Ast einige Meter in die Tiefe. Keiner hatte ein Handy dabei für Notrufe, höchstens Dosentelefon, das bekanntlich nur über eine sehr begrenzte Reichweite verfügt. Heute ist das alles viel sicherer, viel verantwortungsvoller, vielleicht auch ein bisschen langweiliger.

Im Tierreich geht es aber immer noch sehr wild zu, man könnte auch sagen, da herrschen noch die Achtziger. Auf der Amperbrücke vor dem himmelblauen Dachauer Wasserkraftwerk sammelten sich am Ostersonntag die Passanten - seit Goethe weiß man, dass man an Ostern in Deutschland spazieren zu gehen hat - und mit einer Mischung aus Begeisterung und Bestürzung blickte man in die Tiefe. Eine Entenfamilie mit acht flauschigen Küken paddelte dort am Wehr entlang. Statt die Kleinen in ruhiges knietiefes Wasser zu manövrieren - für Küken ist knietief sehr, sehr flach - steuerten Entenmama und Entenpapa auf die linke Seite, wo das Wasser unter den Turbinen hervorschießt und wo es heftigste Strudel und Turbulenzen gibt. Für Menschen des 21. Jahrhunderts ein verantwortungsloses Gebaren.

Zur Beruhigung des Lesers: Die kleinen Entenkinder wurden ziemlich durchgeschaukelt, und ein paar von ihnen mussten ziemlich kräftig paddeln, um nicht zu weit abgetrieben zu werden, einige fiepten sogar, man weiß nicht so genau, ob aus Panik oder vor Freude. Mama Ente und Papa Ente blieben jedenfalls cool, man könnte auch im Pädagogensprech sagen: Sie stärkten das Bewusstsein für die Selbstwirksamkeit ihrer Küken. Das nächste Mal steht auf dem Programm wahrscheinlich Surfen auf der Amperwelle. Ente gut, alles gut.

© SZ vom 23.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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