Mitten in Dachau:Eiskalt erwischt

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Wenn der Kühlschrank kaputt ist, gefriert der Orangensaft auf dem Balkon

Von Gregor Schiegl

Der Kühlschrank hat den Geist aufgegeben, jetzt muss der Balkon als begehbarer Tiefkühlschrank herhalten, kalt genug ist es draußen ja. Nun wird das Private öffentlich, jeder kann sehen, was sonst verborgen im dunklen Tiefkühlfach lagert. Dumm nur, dass man nicht alles, was man kühlen muss, auch schockfrosten will: Morgens ist der Orangensaft ein Eisblock und will nicht aus dem Karton, der Käse ist am Geländer festgefroren, und nein, das hat sich der Autor nicht ausgedacht, um die Randspalte zu füllen. So prekär lebt er mit seiner zusammengebrochenen Küche wirklich, halb auf der Straße, oder doch zumindest halb auf dem Balkon. So geht es noch bis März, dann erst kommt die neue Küche. Bis dahin bleibt nur die Hoffnung auf maßvolle Kälte, am besten sieben Grad auf der Süd- und minus 18 auf der Nordseite.

Ein Einzelschicksal, gewiss. Aber es gibt auch Probleme, die uns alle eiskalt erwischen. "Bei Minusgraden besteht die Gefahr, dass der wasserreiche Biomüll in der Tonne festfriert", warnt das Landratsamt Dachau. "Die Biotonne kann dann nicht vollständig entleert werden." Man will sich gar nicht ausmalen, wie der Dachauer Permafrost immer mehr Schichten von Gemüseresten aufeinanderpappt gleich Sedimenten prähistorischer Epochen: das Zucchinium, das Karottär, das Gurkozän. Man stelle sich vor, was Wissenschaftler durch Kernbohrungen in der braunen Tonne über Leben, Schälen und Hobeln der Dachauer alles in Erfahrung bringen könnten. Und mal ehrlich, wollen wir das?

Zum Glück gibt es für alles eine Lösung. "Wickeln Sie die Bioabfälle in Zeitungspapier", rät das Landratsamt schlicht und für uns ergreifend. Jawohl, in Zeitungspapier - das, aus dem die Süddeutsche Zeitung gemacht ist! Versuchen Sie es nicht mit der Online-Ausgabe auf dem Tablet, das funktioniert nicht. Notfalls können Sie Papiertüten als Ersatz nehmen, aber nur für die Tonne, als Frühstückslektüre sind sie ungeeignet. Und noch zwei Tipps vom Landratsamt: "Stellen Sie die Biotonne - wenn möglich - in frostfreie Räume." Und: "Halten Sie den Deckel der Biotonne stets geschlossen, damit kein Regen oder Schnee eindringen kann." Danke, liebes Landratsamt, danke, darauf wären wir von alleine nie gekommen. Jetzt aber noch eine Frage in eigener Sache: Wie lange muss man eigentlich ein tiefgefrorenes Ei kochen, bis es weich ist?

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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