Mitten in Dachau:Eine Stadt strebt nach oben

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Die Kreisstadt träumt von einer Metropole München-Dachau. In dieser werden Freising und Erding nur noch mittelmäßige Rollen spielen

Von Viktoria GroßmanN

Dachau möchte kein Mittelzentrum mehr sein. Mittelzentren sind klein und ab vom Schuss. Sie heißen Beilngries oder Mittenwald, Viechtach und Bad Kötzting, Dinkelsbühl und Hammelburg. Oder Fürstenfeldbruck und Ebersberg. Dachau sieht sich nicht in dieser Reihe. Dachau möchte so sein wie Freising und Erding: ein Oberzentrum. Mittelzentren sollen "zentralörtliche Einrichtungen des gehobenen Bedarfs vorhalten". So steht es im Landesentwicklungsprogramm der Staatsregierung. Pah. Das ist etwas für Germering! Dachau, das bald 46 000 Einwohner hat, möchte "zentralörtliche Einrichtungen des spezialisierten höheren Bedarfs vorhalten". Das ist wie bei den Beamten: Die gehobenen haben Abitur und Ausbildung. Die höheren Abitur und Studium. Dachau will studieren.

Zu den spezialisierten Einrichtungen gehören auch Hochschulen und Fachhochschulen. So wie in Freising. Was hat Erding noch gleich? Abgesehen von läppischen 36 000 Einwohnern? Eine Hochschule für Angewandtes Management. Und ein Moosgeistertreiben. Bitte, das ist nun wirklich typisch Hinterland. In Dachau glaubt man an den Fortschritt, nicht an Moosgeister. Ohne die Dachauer Moose hätten die Münchner Brauereien im 19. Jahrhundert aber alt ausgesehen. Hernach kamen noch die Freiluft-Maler. Das ist Kultur. Oberkultur!

Ein Landestheater und ein Opernhaus wären auch noch drin. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten für das MD-Gelände. Für das überhaupt gleich noch mal ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben werden sollte, einer der eines Oberzentrums würdig ist. Mit richtigen Architekten, nicht nur solchen, die bisher gerade mal ein bisschen an der Hamburger Hafencity herumprojektiert haben.

Zu Oberzentren aufgestuft wurden bisher so winzige Orte wie Traunstein, dort ist übrigens am 9. Oktober Apfelmarkt, und Mühldorf am Inn. Beide dümpeln um die 20 000 Einwohner, großzügig aufgerundet. Schwabach nahe Nürnberg wird gar als Metropole "Nürnberg/Fürth/Erlangen/Schwabach" eingestuft. Mit Namensnennung! Das ist geradezu infam und kann nur mit der fränkischen Herkunft des zuständigen Ministers erklärt werden.

Dachau will München entlasten, begründet die Stadtverwaltung das Streben nach oben. Dachau würde es vom Druck befreien, mehr Gewerbe ansiedeln zu müssen. Eine Untersuchung des bayerischen Städtetags zeigt, dass München und Nürnberg gerade mal 13 Prozent Gewerbe- im Verhältnis zur Wohnfläche aufweisen. In vielen Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern liege der Anteil bei 30, 40, sogar mehr als 50 Prozent. Typisch Bergkirchen. Dachau kann nichts dafür: Es ist einfach zu groß für mehr Gewerbefläche. Die Metropole München-Dachau ist überfällig. In ihr werden Freising und Erding nur noch ganz mittelmäßige Rollen spielen.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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