Mitten in Dachau:Ein Zimmer zum Dampfablassen

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Lange Zeit dachte man, die große Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt bringe vor allem den Vermietern und den Maklern sehr viel Geld

Kolumne Von Viktoria Großmann

Lange Zeit dachte man, die große Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt bringe vor allem den Vermietern und den Maklern sehr viel Geld. Seit einigen Jahren aber hat sich eine dritte geschäftstüchtige Gruppe etabliert, die sich von zweierlei Phänomenen gut ernähren kann: Die Menschen besitzen immer mehr und sie haben immer weniger Platz. Dachbodenkammern gibt es nicht mehr - die sind längst zu Wohnungen umgebaut worden und auch vermietet. Wer Glück hat, bekommt zu seiner Wohnung ein Kellerabteil. Wer Pech hat, findet Rettung bei verschiedenen Firmen, die Kammern in zentralen Lagern vermieten.

Auch in Dachau gibt es so etwas, betrieben - wie naheliegend - von einer Umzugsfirma, die nun mit Stolz verkündet, ihre Räume erweitern zu können. Noch mehr sicherer und trockener Stauraum für geplagte Mieter viel zu kleiner, dafür überteuerter Wohnungen. Dazu kommt natürlich noch eine Extramiete für den Parkplatz, und wer zu Hause keinen Tisch frei hat zum Arbeiten, mietet sich einfach einen Platz in einer dieser angesagten Büroarbeitsgemeinschaften mit original italienischer Barista-Kaffeemaschine. Weil auch der Balkon fehlt, wird am Wochenende in der Laubenkolonie geschrebergärtnert.

Der moderne Mensch ist ein Nomade mit vielen Adressen. Abends geht er aus, weil zu Hause kein Platz ist für Freunde. Und dass man in einer Kitchenette mit maximal zwei Kochplatten nicht wirklich arbeiten kann, verrät schon der alberne Name. Im Trend zur Mehrfachanmietung von Räumen steckt noch mehr Potenzial. Dem Partner mal aus dem Weg gehen, ist auf 35 Quadratmetern nicht möglich? Wie wäre es mit einem Zusatzzimmer in eigens errichteten Wohnheimen, die Platz bieten zum gelegentlichen Türen-hinter-sich-Zuschlagen und gepflegt beleidigt sein? Das kostet am Ende alles soviel wie eine vernünftige Wohnung mit allem drum und dran? Aber auf die Idee, so etwas zu bauen, müsste erst einmal einer kommen.

© SZ vom 29.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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