Mitten in Dachau:Drohende Gefahr durch Bäume

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Herabfallende Äste können für Leib, Leben und Automobile von großer Gefahr sein. Das war schon so 1938 in Paris, und es bleibt so - 80 Jahre drauf in Dachau.

Kolumne von Viktoria Großmann

Alles Gute kommt von oben. Ein Spruch, der etwas selten geworden ist im Sprachgebrauch. Wahrscheinlich weil keiner mehr weiß, woher der Sinn der Redewendung rührt. Zudem bedeutete der Satz im Umkehrschluss noch nie, dass alles, was von oben kommt, gut ist. Eigentlich ist vieles, was von oben kommt, unangenehm. Platzregen, wenn man auf dem Fahrrad unterwegs ist. Ministerpräsidentenerlasse zur Gestaltung des Eingangsbereichs von Behörden. Vogelschiss. Der Lärm über einem trampelnder Nachbarn.

Gewarnt sei auch vor dem Aufenthalt unter Bäumen. Ewig mahnt der tragische Tod des Schriftstellers Ödön von Horváth, der vor 80 Jahren auf den Champs-Élysées im Alter von 37 Jahren von einem herabfallenden Ast erschlagen wurde. Horváth hatte an dem Abend das Angebot eines Bekannten, ihn im Auto mitzunehmen, ausgeschlagen. Der Verfasser des Oktoberfeststücks "Kasimir und Karoline" fürchtete sich ein bisschen vor allem, was mit Technik zu tun hatte. Vor dem Gewitter, das an jenem Juniabend 1938 über Paris niederging, hatte er offenbar weniger Angst.

In Dachau hat am Samstagnachmittag ein Weidenast ein Auto unter sich begraben. Die Frontscheibe zerschlagen und das Dach eingedrückt. Reines Glück, dass die Fahrerin längst ausgestiegen war und niemand zu schaden kam. Dabei gab es noch nicht einmal ein Gewitter, kein Windstoß brachte den Baum ins Wanken. Es war wohl reine Altersmüdigkeit. Von einer Sekunde zur anderen verlor der Ast endgültig seinen Halt. Der Schattenparkplatz wurde zur Falle. Die Stadt wusste bereits um die Gefahr. Von Montag an galt Halteverbot wegen Baumpflegearbeiten. Die Angelegenheit mag nun Versicherung und Rechtsanwälte beschäftigen. Doch wer kann schon in die Zukunft sehen? Ödön von Horváth soll aus Angst vor den Prophezeiungen eines Wahrsagers an jenem Tag allem, was ihm gefährlich erschien, aus dem Weg gegangen sein. Gefahren aber schätzt jeder anders ein und keinesfalls sollten nun alle Bäume wegen drohender Gefahr unter Generalverdacht gestellt werden.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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