Mitten in Dachau:Die wahren Superhelden

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Stellenausschreibungen sind oft verklausuliert. In einer Stellenanzeige für Erzieher an Kindergärten ist die Stadt schonungslos offen

Kolumne Von Gregor Schiegl

Dass die Verständigung zwischen den Leuten hierzulande so schwierig geworden ist, mag auch damit zusammenhängen, dass jeder Teil der Gesellschaft sein eigenes Deutsch spricht, und damit ist nicht allein die Divergenz von "Hörma"-Ruhrpottdeutsch und "Wos-is"-Bairisch gemeint. Jeder Berufsstand hat heute seinen ganz speziellen Jargon, das gilt auch für Personaler, die Stellenausschreibungen gleichermaßen erratisch wie tückisch formulieren. Wer die Offerte bekommt, in einem "jungen, dynamischen Team mit vielseitigem Aufgabenspektrum zu arbeiten", sollte gewarnt sein. Er muss sich darauf einstellen, in einem chaotischen Haufen voller Praktikanten zu landen, in dem jeder für alles oder eher für nichts zuständig ist.

Die Stadt Dachau geht einen anderen Weg. Auf ihrer Suche nach Personal für ihre drei Kindergärten Wirbelwind, Purzelbaum und Prinz Adalbert hat sie sich für schonungslose Offenheit entschieden. Bewerberinnen und Bewerber sollten Folgendes können, wörtliches Zitat: "Routiniert Bastelkleber aus den Haaren entfernen. Das hast du gut gemacht sagen, ohne dabei rot zu werden. Ruhig bleiben, wenn Eltern behaupten: Also mein Kind macht so etwas nicht! 25 Kinder auseinanderhalten, obwohl alle die gleichen Matschhosen und Regenjacken anhaben. 30 Mal am Tag bitte räum das wieder auf sagen ohne grantig zu werden. Konsequent bleiben, wenn Eltern fordern: Das muss doch machbar sein! 100 Dezibel Lärmkulisse ertragen ohne durchzudrehen. Selbst das größte Aua einfach wegpusten. Und das alles noch gleichzeitig." Wenn man das alles könne, schließt die Anzeige, sei man Chuck Norris - das ist der, der beim Fliegen zum Rauchen vor die Tür geht oder Wonder Woman, die Superheldin, die im Kino den ollen General Ludendorff mal schnell um die Ecke bringt, um die Welt zu retten. Kurzum: Man ist so eine Art Übermensch.

Ob die Stadt mit dieser ungewöhnlichen Art der Rekrutierung Erfolg hat, wird sich erst noch zeigen. Aber sie sendet schon mal ein wichtiges gesellschaftliches Signal aus: nämlich, dass sie sich als Arbeitgeber wohl bewusst ist, was für Heldentaten die Leute in ihren Kindergärten Tag für Tag vollbringen und dass es auch die Bürger wissen und anerkennen sollten. Echte Superhelden brauchen weder Cape noch Strumpfhose.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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