Mitten in Dachau:Die Rettung der Dosenravioli

Ist es nur Sorge, aus welcher die Bundesregierung ihre Bürger dazu aufruft, sich Vorräte anzulegen? Oder steckt etwa die Konservenindustrie dahinter?

Von Walter Gierlich

Irgendwie fühlt man sich an die Fünfziger- und Sechzigerjahre des vorigen Jahrhunderts erinnert. Aus Angst vor einem Atomschlag des bösen Ostblocks bauten sich manche Menschen damals Minibunker in ihre Gärten, die sie mit Notrationen für mehrere Wochen bis Monate füllten. Die Furcht vor einem nuklearen Angriff dürfte es jetzt nicht mehr sein, welche die Bundesregierung veranlasst, die Bürger zum Anlegen von Notvorräten aufzufordern.

Wahrscheinlich steckt eher die erfolg-reiche Lobbyarbeit der Lebensmittelindustrie dahinter. Weil Bionahrungsmittel und regionale Frischwaren immer beliebter werden, bleibt die Industrie womöglich auf ihren Konserven sitzen. Dosenravioli und Leipziger Allerlei aus Blechbüchsen sind nun mal nicht jedermanns Sache. Insofern ist das Schüren von Angst vor Gefahren, die Einkäufe unmöglich machen könnten, ein wunderbares Verkaufsargument für die haltbaren Ladenhüter.

Für den echten Notfall mag der Genuss von Büchsenfleisch, das nicht zu Unrecht auf Englisch "spam" heißt, ja noch angehen. Aber so mancher Dachauer, der sich gerade erst beim Volksfest täglich mit mehreren Maß des preiswerten Ludwig-Thoma-Biers abgefüllt hat, dürfte entsetzt schaudern angesichts der Aussicht, dass er für zehn Tage jeweils zwei Liter Wasser im Keller für den Ernstfall bereithalten soll. Biwi, der legendäre einstige Kochwirt und Säulenheilige von Dachaus Bierdimpfln, dürfte sich angesichts solcher Vorschläge im Grabe umdrehen. Schließlich soll er, wie damalige Stammgäste noch heute genüsslich erzählen, Gästen mit dem Rauswurf gedroht haben, wenn sie wagten, Wasser zu bestellen. Na, dann prost!

© SZ vom 23.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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