Mitten in Dachau:Die Retter der Demokratie

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Eigentlich steht erst nach dem 24. September fest, wer Bundestagsabgeordneter ist. Die CSU scheint es bereits zu wissen. Eine Geringschätzung des Wählers? Mitnichten. Sie kennt ihn nur zu gut

Von Helmut Zeller

Es sieht gar nicht gut aus auf dieser Welt, allerorten beobachtet man einen Demokratieabbau - in Ungarn und Polen, in der Türkei sowieso und sogar in Gottes eigenem Land, den USA. Nur in Dachau steht die Demokratie auf stabilem Boden. Allerdings zeigen sich nun erste Symptome einer Erosion der demokratischen Fundamente - und das ausgerechnet in der Partei, die allen Gegnern rechtsstaatlicher Prinzipien die Leviten liest. So hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer 2016 den ungarischen Premier und Zäunebauer Viktor Orbán in München empfangen und ihm bei einer innigen Umarmung ins Ohr geraunt, dass jetzt aber Schluss sein müsse mit diesem Quark von der illiberalen Demokratie. Aber Orbán hat nicht richtig zugehört.

Das außenpolitische Engagement der CSU gegen Demokratiefeinde hat Tradition - und verlief meist unglücklich: 1977 hat der damalige CSU-Chef Franz Josef Strauß eine innige Verbindung zu dem chilenischen Diktator Pinochet aufgebaut: das Lob des Bayern für dessen Terrorsystem war wohl nur der Versuch - die Psychoanalyse spricht von einer paradoxen Intervention -, Pinochet zu einem lupenreinen Demokraten zu schleifen. Aber Folter und Morde an Tausenden von Opfern der Militärjunta? Klar, wo gehobelt oder besser gesagt, geschliffen wird, da fallen Späne. Das war bitter - aber nicht für Strauß und Pinochet, der zeitlebens für seine Verbrechen nicht belangt wurde.

Vielleicht liegt es an den Irrungen und Wirrungen einer regionalen Partei auf weltgeschichtlichen Ausflügen, dass ihre Basis nicht mehr so ganz klar sieht. Da hat jetzt die CSU in einer Pressemitteilung zur Renovierung ihres Bürgerbüros in der Dachauer Altstadt "Gerda Hasselfeldt als amtierende und Katrin Staffler als zukünftige Bundestagsabgeordnete" begrüßt. Drei Wochen vor der Bundestagswahl weiß die CSU also schon, dass ihre Kandidatin als Wahlsiegerin hervorgehen wird. Das kennt man sonst nur aus Bananenrepubliken. Aber nein: Nur Böswillige sehen darin eine Geringschätzung des rechtsstaatlichen Prinzips der Volkssouveränität. Das ist dem Verfasser einfach so rausgeflutscht, weil halt die CSU immer ihren Bewerber durchbringt. Fast immer: bei der Bürgermeisterwahl 2014 in Dachau nicht. Aber warum hätten die CSU-Anhänger auch zur Wahl gehen sollen, warum sollen sie es diesmal, solange die CSU doch ohnehin gewinnt - und damit in ihren Augen die Demokratie gerettet ist, zumindest in Dachau und Bayern.

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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