Mitten in Dachau:DAH legst di nieder!

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Der Kurbetrieb Schliersee wirbt mit einer schrillen Aktion um mehr Touristen. Das könnte der Landkreis auch machen. Hat er aber gar nicht nötig

Von Gregor Schiegl

Es gab mal eine Weißbierwerbung im Fernsehen, die begann mit den Worten "Bayern ist schön", dazu erklang bayerische Volksmusik und man sah blaue Berge. Das war schlicht und ergreifend. Heute preist der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer das Bayernland gerne als "Vorhof zum Paradies", was wie eine Art Nahtoderfahrung mit Alpenglühen klingt. Aber auch im Fernsehen geht es sonderbar zu. Weißbier wird in TV-Spots als Aphrodisiakum angepriesen, das am besten aus dem Bauchnabel französischer Models getrunken werden sollte. Das ist alles ziemlich ballaballa. Aber in der Werbung muss man eben auffallen, egal wie.

Das hat sich wohl auch der Kurbetrieb Schliersee gedacht, der zu "Bayerns verrücktestem Liebesexperiment" einlud. Und weil das noch nicht superlativistisch genug klang, wurde es in der Pressemitteilung gleich zum "ungewöhnlichsten Date des Jahres" gehypt. Der "Charakterforscher" Walter Rotter wählte Singles aus, die am schönen Schliersee im Schlafsack zusammenfinden sollten. "Das Romantikprogramm liefert uns die Natur in Schliersee: Vollmond, Sonnenuntergang und hoffentlich einen sternenklaren Himmel." Die Leute verstanden sich prächtig, aber der Funke sprang nicht über. Wahrscheinlich weil es die ganze Zeit schiffte. Vielleicht fehlte auch nur das Weißbier. Als PR-Gag hat es trotzdem funktioniert.

Im Landkreis sollte man sich überlegen, ob man den verrückten Schlierseeern nicht das Wasser reichen kann. Das Potenzial ist da, romantische Sonnenuntergänge gibt es auch am Karlsfelder See oder auf dem Dachauer Schlossberg. Biwakieren kann man am Monte Kinader, und bei Schnee kann man das Hügerl sogar ganz schnell wieder auf Skiern runterrutschen. "DAH legst di nieder!", wäre ein guter Werbe-Claim. Und wenn's regnet, findet man im Kochwirt immer ein trockenes Platzerl.

Aber auch ohne Werbe-Schnickschnack hat der Landkreis touristisch mächtig zugelegt, allen voran die Große Kreisstadt. Sie muss sich nicht künstlich interessant machen. Dafür gibt es vier Gründe. Erstens: Die Marke Dachau erzeugt noch heute weltweit Gänsehaut. Zweitens: Die Altstadt ist auf seehofermodelleisenbahnhafte Art putzig. Drittens: Die Stadt Dachau liegt näher an München als Teile Münchens selbst: Und viertens: Bier wird hier in praktischen Krügen ausgeschenkt. So klappt's dann auch mit der Liebe. Ganz herkömmlich beim Anbandeln auf der Bierbank.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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