Mitten in Dachau:Da hört der Spaß auf

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FDP-Kreisrat Jürgen Seidl und sein Antrag, dass im Schloss Trauungen stattfinden sollen. Geht es ihm um Romantik oder ums Geschäft? Das ist die Frage. Der Versuch einer Antwort

Von Viktoria Großmann

Als einziger seiner Art, damit meist auch letzter, mag man mehr als andere dazu neigen, sich die großen Fragen der Menschheit zu stellen. Als einziger Mandatsträger der FDP im Landkreis Dachau zum Beispiel, stellt man nicht einfach ins Blaue hinein Anträge für mehr Parkplätze oder den Einsatz eines Gestaltungsbeirats. Man macht sich Gedanken über seine Mitmenschen, seine Umwelt, deren Zukunft. Zuweilen wird man dabei etwas romantisch. Verliert aber nie, niemals die Grundsätze aller Liberalen aus den Augen: Für die Privatwirtschaft muss es sich lohnen.

Es ist daher ein durch und durch liberales Anliegen, wenn Stadtrat Jürgen Seidl nun beantragt, Eheschließungen im Schloss zu ermöglichen. Als Mitglied einer von jeher äußerst dynamischen Partei ist Seidl die Amtsstube zu muffig und auch viel zu wenig individuell. Die FDP war, als es sie noch gab, ja auch die Partei der persönlichen Freiheiten und der Eigenverantwortung. Als ausgewiesener Fachanwalt für Ehe- und Familienrecht weiß Seidl, dass bereits seit 2009 der Ort der Trauung nicht im Standesamt sein muss. Es kann auch ganz woanders sein. In München, führt er an, dürfen Brautpaare im Schloss Nymphenburg Ringe tauschen. Freilich nach Teilnahme an einem Losverfahren und Zahlung einer Zusatzgebühr von 615 Euro.

Würde in Dachau das Schloss zugelassen, wäre das ein Coup. Man stelle sich die Möglichkeiten vor: Dachau würde zum Heiratsort! Die Privatwirtschaft in Person der neuen Schlosscafé-Pächter und der Zimmervermieter dürfte sich freuen. Tourismusamt und Wirtschaftsförderer könnten jubeln. Nur für die Dachauer selbst könnte es blöd laufen, wenn sie vor lauter Begeisterung der Umlandmenschen gar nicht mehr zum Zuge kämen. Die Ortsansässigen müssten sich dann etwas anderes einfallen lassen. Eine Hochzeit auf dem Volksfest etwa. Oder wie wäre es mit einer Floßfahrt auf der Amper? Feuerwehrler könnten ihr neues Gerätehaus in Pellheim nutzen, Fans des Heizkraftwerks könnten sich hoch über dem MD-Gelände trauen. Seidl möchte "keine unnötigen Vorgaben", das Recht auf freie Wahl des Trauungsortes gelte im Übrigen auch für die Eintragung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. Doch gerade weil Seidl wohl eher der letzte als der erste seiner Art ist, neigt er keinesfalls zu Witzanträgen. Der "Akt der Eheschließung" dürfe nicht zu einer "Spaßveranstaltung" verkommen, bemerkt er streng. Das gilt sicher auch für die FDP.

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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