Mitten in Dachau:Benimmregeln für Dreckspatzen

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Warum Feierwütige an der Würm eine Broschüre zur Müllentsorgung nötiger haben als Flüchtlinge

Von Walter Gierlich

Der Umweltschutz findet sich regelmäßig unter den Top Ten, wenn die Deutschen nach Themen gefragt werden, die ihnen auf den Nägeln brennen. Leider geht es vielen dabei nicht um die Abgase, die ihr übergroßer SUV produziert, oder die Pestizide, die sie im Garten versprühen, damit auch ja kein Kräutlein den Rasenteppich verunziert. Solche Mitbürger sehen die Umwelt häufig eben nicht durch Klimawandel und Artenschwund bedroht, sondern durch die Abholzung tropischer Re-genwälder, der man laut Werbung durch den Kauf eines Biertragls entgegenwirken könne.

Womit wir bei einem zweiten Spitzenthema sind, das die Menschen in diesem Lande beschäftigt und das gewissermaßen schon zur sogenannten deutschen Leitkultur zählt. Zumindest möchte man das glauben, wenn man die zahlreichen Broschüren mit Verhaltensregeln für Geflüchtete betrachtet. Es handelt sich dabei um die sorgfältige Entsorgung und feinsäuberliche Trennung von Müll.

Nun gibt es Bereiche, in denen sich die beiden Anliegen treffen, beziehungsweise überschneiden. So zählte es zu einem der schönsten Erfolge des Projekts Soziale Stadt Dachau-Ost, die Würm von einem eingemauerten Kanal auf einer langen Strecke wieder zu einem richtigen Fluss zu verwandeln mit Kurven und begehbaren Ufern. "Würmverführung" nannte man die Umwandlung, die nicht nur der Umwelt, sondern auch den Menschen im Viertel zugutekommt. Das lässt sich unter anderem daran sehen, dass die neuerdings entlang der Würm aufgestellten Bänke selbst an einem gewöhnlichen Werktagvormittag von Spaziergängern besetzt sind, die sich am wirbelnden Spiel des Wassers erfreuen.

Doch leider zeigt sich gerade an den schönsten Stellen des renaturierten Flüsschens, dass die Müllentsorgung zu Recht ganz oben auf den Prioritätenlis-ten in diesem Lande steht. Denn so manche Dachauer, die die neu geschaffene Parklandschaft abends mit einem kleinen Fest begießen, hinterlassen ihren Abfall einfach in der Wiese. Und das ist schade, nicht nur für die Spaziergänger am nächsten Tag. Vielleicht sollte man den Ratgeber mit Benimmregeln nicht nur für Flüchtlinge konzipieren.

© SZ vom 03.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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