Mitten in Dachau:Auf Handwerkerfang

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Ein junger Zimmermann auf der Walz wird in Dachau vom Fleck weg eingestellt. Logis inklusive

Kolumne von Clara Nack

Elf Uhr dreißig, Landung in München. Zwölf Uhr dreißig, die S-Bahn rollt in den Dachauer Bahnhof ein. 13 Uhr, Jobangebot. So passierte es einem jungen Zimmermannsgesellen auf Wanderschaft. Traditionell geben sich die verschiedenen Zünfte durch ihre Kleidung zu erkennen. Dabei trägt der Maurer weiß, der Schreiner braun und der Zimmerer schwarzen Cord. Der breitkrempige Hut, den der Geselle dazu kombinierte, muss es gewesen sein, der einen Zimmermannsmeister veranlasste, ihn anzusprechen: Ich kann dir Arbeit geben, wir suchen dringend Leute.

Mit einer Visitenkarte in der Hand stolperte der junge Mann nach 376 Kilometern Jakobsweg, die er in den letzten Wochen zurückgelegt hatte, zu den Freunden nach Hause, die er eigentlich nur zum Münchener Oktoberfest besuchen wollte. Höflich boten sie ihm an, länger bei ihnen zu wohnen, sollte er den Auftrag auf der Baustelle bekommen. Brauche er nicht. Eine Unterkunft sei bei dem Jobangebot inbegriffen gewesen.

Jungen Leuten, die sich für eine Ausbildung entscheiden, wird im Landkreis kostenloses Mittagessen, Fahrtengeld und ein 13. Monatsgehalt hinterher geworfen. Faktoren, die neben einem tatsächlichen Interesse am Handwerk, dazu bewegen sollen sich für eine Wirtschaftsbranche zu entscheiden, die vom Fachkräftemangel und der Ignoranz der Politik geplagt wird. Viele wählen nach abgeschlossener Ausbildung trotzdem die weiterführende Schule oder ein Studium und bleiben den Branchen nicht erhalten. Dabei wird der goldene Boden im Handwerk doch überall betont. Nicht nur finanziell, sondern auch die direkte Wertschätzung der Kunden soll Handwerkeraugen leuchten lassen. So gesehen in Image-Filmen für "Das Handwerk".

Nachdem der Geselle, der aus dem Berliner Norden stammt, in seinen Träumen nur noch pappige Dosennahrung sieht, fällt ihm noch ein weiterer Grund ein, warum er die Telefonnummer auf der Visitenkarte wählen sollte: "Hier unten im Süden verdient man doch auch sicher besser als in Berlin?"

© SZ vom 06.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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