Mitten in Dachau:Auf Bairisch genießen

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Der Dachauer Stadtdrat überrascht mit seine Entscheidung, dass auf dem Schlossberg der historische Zieglerbiergarten als Bürgerprojekt wieder aufleben soll. Jetzt sind die Anwohner gefragt, sich zu beteiligen.

Von Wolfgang Eitler

Wie jeder weiß, werden die Küchenausstattungen immer opulenter, die Küchentische immer größer, aber die Familien, die dort sitzen sollen, immer kleiner. Immer mehr Menschen tragen gerade in der fünften Münchner Jahreszeit Trachten aller Art, aber die bairische Kultur, die Sprachfärbung geschweige den Dialekt beherrschen immer weniger Einheimische. Viele träumen von schönen Wirtshäusern mit heimeligen Gärten in einer lauen Nacht. Aber wehe, man wohnt dort selbst.

Insofern überrascht der Dachauer Stadtrat mit einer mutigen Entscheidung, dass oben auf dem Schlossberg der historische Zieglerkeller-Biergarten als Bürgerprojekt wieder aufleben soll. Bei einem Zuzug von offiziell fast 4000 Menschen im Jahr 2015, muss an dieser Stelle mit einer gewissen Wehmut daran erinnert werden, dass Dachau früher bis in die späten achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein wunderbare Biergärten beherbergte. Der größte - die Steinmühle - fiel einem ehrgeizigen Bauträgerprojekt zum Opfer. Das Ergebnis ist an der Ludwig-Thoma-Straße direkt gegenüber der MD-Industriebrache zu sehen. Ein Bernheimpalais à la München hatte der Bauherr versprochen und eine billig anmutende Fassaden-Architektur geschaffen. Dort in der Steinmühle traf sich einst ganz Dachau. Am Schlossberg oben meckerten früher die Anwohner heftig, und die eher mäßig begabten Wirtshauspächter gaben dem Biergarten den Rest. Der schönste übrigens befindet sich immer noch in Etzenhausen, aber das Gasthaus Burgmeier ist nicht mehr regelmäßig geöffnet. Wer melancholisch werden will, sollte in die Gemäldegalerie gehen und anschauen, wie griabig man früher beispielsweise am Bahnhof zusammensaß.

Nun mag es ja sein, dass der als ziemlich betucht geltende Bauherr des Geländes der historischen Schlossbergbrauerei quasi hinterlistig einen kleinen Park los werden will, mit dem er eh nichts anfangen kann und der sowieso nur Unkosten verursacht. Aber um ein Danaergeschenk handelt es sich bestimmt nicht. Denn das technische Problem, einen Ausschank zu installieren, müsste lösbar sein. Außerdem könnte dort oben ein echter Biergarten entstehen, in dem die Dachauer - der bairischen Tradition entsprechend - ihre Brotzeit selbst mitbringen und nur die Getränke bestellen. Es müssten sich also bloß noch Bürger finden, die ähnlich einem Verein oder einer Genossenschaft den Biergarten betreiben. Am besten beteiligen sich die Anwohner, gerade die neuen, die in die ehemalige Flaschenabfüllerei eingezogen sind. Ehrenamt und Kontaktpflege ließen sich bei einem Schluck Bier wunderbar verbinden. Mitmachen ist der beste Immissionsschutz.

© SZ vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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