Mitten in Dachau:Altstadt statt Südsee

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Urlaub ist etwas Schönes. Die kurze Illusion von Urlaub etwas Schlimmes, vor allem auf dem Weg in die Arbeit

Von Johannes Korsche

Urlaub ist etwas Schönes; die kurze Illusion von Urlaub etwas Schlimmes, vor allem auf dem Weg in die Arbeit. Die Dachauer Busse lösen eben diese Illusion aus, einen Anflug von Urlaubsgefühl, nur ohne Urlaub. Es herrscht nämlich ein Handyverbot, in allen Bussen eindeutig ausgeschildert.

Kurz fühlt man sich, als säße man in einem Flugzeug, das bereit ist abzuheben. Fast hat man schon ein knarziges "Ready to take-off" im Ohr, spürt, wie die Beschleunigung einen in den Sitz presst, will schon einen Tomatensaft bestellen, und hört dann doch nur wieder das allzu vertraute: "Nächster Halt: Rathaus. Zur Altstadt bitte hier Aussteigen." Ein hartes Ankommen, nur eben nicht in der Südsee, sondern in der Realität. Reinhard Dipold, Abteilungsleiter der Verkehrsbetriebe Dachau, sagt, dass das Handyverbot vor allem andere Fahrgäste vor Belästigung und die Busfahrer vor Ablenkung durch allzu laute Telefonate schützen solle. Es sei übrigens auch verboten, direkt mit dem Fahrer zu sprechen, aus Sicherheitsgründen. Das ist nachvollziehbar, hat sich ein Busfahrer doch noch nie mit einem Bekannten unterhalten, während er seinen Bus durch Dachau steuerte - noch nie.

Fahrgäste, die sich davon ablenken wollen, dass sie eben doch nicht in den Urlaub fliegen, beispielsweise mit einem Schokoladenmuffin, müssen sich damit bis zum Aussteigen gedulden. Essen und Trinken ist in den Dachauer Bussen nämlich ebenfalls verboten. Wegen der hohen Schadens- und Reinigungskosten, die ein ausgekippter Kaffeebecher nach sich ziehe, sagt Dipold. Dabei wäre es leicht möglich, für Urlaubsgefühle zu sorgen, ohne dass Fahrgäste und Verkehrsbetriebe auf Sicherheit und Sauberkeit verzichten müssten. Die Busse könnten an den Ampeln von Null auf Hundert in fünf Sekunden beschleunigen, wie das ein anständiges Flugzeug eben so macht. Die Durchsagen könnten auf Deutsch und Englisch eingesprochen werden, dabei könnte gleich auf die Notausgänge verwiesen werden. Oder die Stadtwerke stellen Stewardessen an, bei denen man den Tomatensaft zumindest bestellen kann. Es wäre dann auch erträglich, ihn erst nach dem Aussteigen zu trinken. Es bliebe so wenigstens ein bisschen Urlaubsgefühl übrig.

© SZ vom 01.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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