Mitten in Baindlkirch:Rabatt für Gäste mit Traktor

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Auf dem Land wird etwas anders angebandelt als in der Stadt. Da zählt nicht das schickste Outfit, sondern die Größe des Weizenfelds

Kolumne von Anna-Elisa Jakob

An der Grenze zum Landkreis, unweit von Orten wie Bayerzell und Weyhern, liegt ein unscheinbares Landgasthaus. Eines mit charmantem Löwenbräu-Logo, zartrosa Fassade und weißen Spitzengardinen, frisch aus Omas Wäscheschrank. Doch ab und an, wenn es dunkel wird, ist der Gasthof kaum wiederzuerkennen: Dann zieht nicht der Duft von Schweinebraten und Semmelknödeln durch den Raum, stattdessen sorgen Kunstnebelschwaden für irritierende Sichtverhältnisse, begleitet von schlag(er)kräftigem Bass. Statt flach gelegten Autos mit unzähligen Auspuffrohren - wie bei Dorfdiscos erwartbar - reiht sich auf dem Gasthausparkplatz ein Traktor an den nächsten. Der Grund für dieses Aufgebot ist eine spezielle Singlebörse.

Unter dem Motto "Bäuerin sucht Mann mit Hektar" wird, zuletzt vor zwei Wochen, zum Feiern und Anbandeln eingeladen: Ein Armband erhalten alle, die eine gewisse Hektargröße an Land vorzeigen können. Mittelständige Landwirte tragen ein gelbes Band am Handgelenk, ab 70 Hektar darf mit einem blauen angegeben werden. Und alle "Kleinbauern" können sich den ganzen Abend lang bemühen, ihr grünes Band nicht unter dem Ärmel hervorblitzen zu lassen. Wer mit Traktor oder Mähdrescher vorfährt, erhält freien Eintritt für vier Leute. Tragen die Partygäste dazu noch Arbeitskleidung, also Gummistiefel, Latzhose und Holzfällerhemd, gibt es außerdem Rabatt für die Schnapsbar.

Einige Fragen bleiben noch offen. Ob nur Eigenland oder auch Pacht gelte, fragt jemand auf Facebook. Und eine junge Frau will wissen, ob auch Menschen ohne Hektar willkommen sind. Glücklicherweise pflegt die ländliche Disco eine tolerante Willkommenskultur: Auch Nicht-Landwirte sind ausdrücklich eingeladen. Selbst bei der Gender-Debatte stellt man sich mitten im traditionellen Bayern nicht quer: In der Einladung sorgt ein simpler Schrägstrich für Gleichberechtigung - Landwirt/in mit Hektar willkommen, heißt es da. Das Spiel mit den Vorurteilen ist kein leichtes, wird es durch das hohe Maß an Selbstironie legitim? Wenn sich nachts um drei an der Landkreisgrenze zum Liebesschlager Männer und Frauen, mit und ohne Hektar, glücklich in den Armen liegen - dann ist die Welt in Ordnung. Zumindest bis zum nächsten Morgen, wenn der Hahn krähend den Tagesanbruch begrüßt. Oder einfach nur der Wecker klingelt.

© SZ vom 08.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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