Mitten im Landkreis:Tradition verpflichtet

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Nichts bleibt dem Baum erspart. Er muss optische Verunstaltungen aushalten, unpassende Motivtaferln. Er wird als bayerisches Traditionsstangerl verunglimpft - und manchmal auch gestohlen

Von Rudi Kanamüller

Mein Gott, was muss dieser Baum nicht alles an optischen Verunstaltungen und verbalen Verhunzungen aushalten. Dabei bleibt ihm nichts erspart. Vom unpassenden Motivtaferl bis hin zur schlimmsten Form seiner Missachtung, bei der der Baum als "bayerisches Traditionsstangerl" verunglimpft wird. Halten wir fest: Beim Maibaum handelt es sich in der Regel um einen mindestens 30 Meter großen, hochstämmigen, verzierten Baum, der an einem zentralen Platz bei einer festlichen Veranstaltung aufgestellt wird.

Aber Maibaum ist nicht gleich Maibaum. In jeder Region kann er anders aussehen. Manchenorts wird er mit der Rinde am Baum aufgestellt, andernorts geschält und weiß-blau gestrichen. Dazu behängt mit bunten Bändern, mit geschnitzten Figuren verziert und mit einem Kranz geschmückt. Seine Tradition reicht dabei mindestens 450 Jahre zurück. Im 18. Jahrhundert galt er als Symbol für das Staats- und Selbstbewusstsein freier Gemeinden. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte er sich immer mehr zu einem Symbol für Heimatliebe, Bodenständigkeit und Traditionsbewusstsein.

Aufgestellt wird er traditionell am 1. Mai, so wie zum Beispiel beim ASV Dachau, beim TSV 1865 Dachau, in den Gemeinden Asbach, Unterweikertshofen, Eisenhofen oder in Markt Indersdorf. Weil das Maibaumaufstellen schon seit jeher zu den beliebtesten Traditionen einer jeden funktionierenden Dorfgemeinschaft gehört, wird sie entsprechend intensiv gepflegt und gelebt. So wie auch das Maibaumstehlen. Ein Lied davon können die Markt Indersdorfer Burschen singen. Denen wurde sprichwörtlich nach sage und schreibe 35 Jahren diebstahlsfreier Zeit ihr Maibaum unterm Hintern weggezogen. Die Übeltäter kamen aus Randelsried. Aus der Nachbarschaft sozusagen.

Aber auch die Randelsrieder haben so ihre Erfahrungen mit geklauten Maibäumen gemacht. Weshalb sie sich geschworen haben, dass ihnen niemand mehr den eigenen Maibaum abspenstig machen wird. Jedenfalls wird sich der kurzfristige Besitz des Indersdorfer Maibaums für sie in Naturalform von Grillfleisch und Bier bezahlt machen. Tradition verpflichtet eben. Und Tradition ist den Maibaum-Meisterdieben schon immer heilig gewesen.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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