Mitten im Landkreis:Seid gegrüßt

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Grüßen ist aus der Mode gekommen. Umso erfreulicher, dass ein Twitter-Nutzer es sich zur Aufgabe gemacht hat, mal allen Guten Tag zu sagen. Am Freitag waren Dachau und Röhrmoos dran

Von Gregor Schiegl

Durch einen Unfall mit einem irrationalen Partikelbeschleuniger, einem flüssigen Mittagessen und einem Paar Gummibändern unsterblich geworden, vertreibt sich Bowerick Wowbagger fortan die Zeit, indem er alles und jeden im Universum einmal beleidigt - und zwar in alphabetischer Reihenfolge. Zu der Figur aus Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis" gibt es in unserer Welt glücklicherweise auch einen Gegenentwurf, den "Grußaugust" auf Twitter. Seit zwei Jahren versucht er, alle zu grüßen, wobei er sich eingedenk der eigenen Sterblichkeit mit Ortschaften begnügt. Am Freitag zwitscherte er "Schöne Grüße nach Dachau in Bayern" und "Liebe Grüße ins bayerische Röhrmoos".

Mehr als 34 000 Tweets hat der Grußaugust inzwischen abgesetzt. Mit 44 Followern und sechs Likes hält sich die Resonanz allerdings in Grenzen. Vielleicht liegt es daran, dass das Profilbild den winkenden Ex-Bundespräsidenten samt Gattin zeigt und damit den Eindruck erweckt, Christian Wulff kompensiere seinen Bedeutungsverlust mit digitalen Grußexzessen. Das wäre doch eine sehr traurige Vorstellung. Vor allem weil sich keiner bemüßigt fühlt, zurückzugrüßen, nicht die Dachauer, nicht die Röhrmooser, niemand. Grüßen ist aus der Mode gekommen. Jüngst begegnete uns ein junger Mann, breitbeinig kam er vom Dachauer Bahnhof, und schaute einem direkt ins Gesicht. Dann sagte er doch tatsächlich und einfach so: "Hallo." Aber das war nach Aussehen und Aussprache ein Flüchtling. Einer, der noch nicht kapiert hat, dass unser Zusammenleben auf friedlichem Ignorieren beruht. Nicht beleidigt ist gegrüßt genug.

Reservate des Grüßens finden sich bei uns nur noch im Radio, wahrscheinlich weil es so schön retro ist. "Ich grüße alle, die zur Zeit im Krankenhaus liegen", sang die Spider Murphy Gang, "und alle Schüler, die gerade Zeugnis kriegen. Ich grüße auch die Hopfenkönigin der Hallertau und alle, die jetzt steh'n im Siebzigkilometer-Stau." Das war in den Achtzigern, als Sachsen noch Ausland war. Inzwischen tauchen immer mehr Wowbaggers auf und beleidigen alle um uns herum, die Afghanen wie die Zyprioten. Wir Grußauguste sollten dagegen halten. In diesem Sinne: Hallo, Servus und Salam aleikum!

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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