Mitten im Landkreis:Kühe in der guten Stube

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Bauernsprecher singen ihr Wiegenlied auf eine vermeintliche Tradition. Und lassen ihre Tiere mit einer dicken Eisenkette angebunden im Stall stehen

Von Helmut Zeller

Es ist ein typisches Problem der Landwirtschaft: die Abwägung zwischen tierschutzrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Aspekten. Klar, der Konkurrenzdruck der Nahrungsmittelkonzerne, der fallende Milchpreis - da will jeder Cent sorgfältig kalkuliert, jede Investition dreifach überlegt sein. Und das geht schon gar nicht, dass kleinere Betriebe mit Anbindehaltung von Kühen in den Bau von Laufställen investieren sollen. Schuld daran ist der Bundesrat, der die Anbindehaltung verbieten lassen will - weil die Tiere, kurz gesagt, ziemlich leiden, wenn sie ihr Leben lang am Strick hängen. Etwa ein Drittel aller bayerischen Milchkühe lebt so, entgegen den Vorgaben des Paragrafen 2 des Tierschutzgesetzes. Kommt das Verbot, müssten viele Betriebe aufgeben, sagt aber Bauernpräsident Walter Heidl. Eine schwierige Frage. Die Lösung wird aber nicht leichter, wenn Bauernsprecher wie so oft gleich die Apokalypse beschwören: "Es geht um die Vielfalt und das Gesicht der bayerischen Landwirtschaft!", sagt Heidl.

Bezirkspräsident Anton Kreitmair, Dachauer CSU-Landtagsabgeordneter, hält ein Verbot schon aus Sicht des Rindviehs für problematisch: "Die Tiere haben häufig beinahe Familienanschluss. Sie werden individuell und liebevoll betreut." Wie muss der urban geprägte Dachauer, der die Tiere nur noch portionsgerecht aus dem Supermarkt kennt, sich das vorstellen? Sitzen die Kühe abends, die Kette ganz locker, in der guten Stube vor dem Fernsehgerät und muhen sich eins, wenn mal wieder eine Doku über Tierquälerei läuft? Weil sie doch wissen, dass gerade die am stärksten von der Milchviehhaltung geprägten Regionen das Rückgrat für den Tourismus im Voralpenland bilden. "Hier ist alles von bäuerlicher Landwirtschaft und bäuerlicher Tradition geprägt. Die Menschen kommen zu uns, weil sie gerade diese wunderbare Atmosphäre schätzen, die sie von daheim nicht mehr kennen", betont Bezirksbäuerin Christine Singer aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen. In der Tat dürften die wenigsten Touristen zu Hause bei ihren beinahe Familienmitgliedern eine Anbindehaltung pflegen. Aber natürlich gibt es so etwas nicht im schönen Alpenvorland: "15 Kühe und Bullen stehen dicht aneinander gedrängt knöchelhoch in ihren eigenen Exkrementen. Sie sind mit einer dicken Eisenkette am Hals angebunden. Diese scheuert schmerzhaft auf der Haut. Dadurch, dass die Tiere gerade mal aufstehen und sich hinlegen können, entwickeln sie schmerzhafte Gelenkentzündungen", hat die Tierschutzorganisation Peta in einem Hof in Steinhorst recherchiert. Aber es wäre schon mal erfrischend, wenn die Bauernsprecher nicht jedes Mal ihr Wiegenlied auf eine vermeintliche Tradition sängen, sondern schlicht sagten, worum es ihnen geht: Wenn Kleinbetriebe Laufställe per Gesetz bauen müssen, dann soll gefälligst der Staat Zuschüsse geben. Wer wollte dem widersprechen. Dann kann der Bauer seine Kühe auch im Stall lassen - ohne Kette.

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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