Mitten im Landkreis:Handicap statt Topspin

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Seit Steffi Graf und Boris Becker von der großen Bühne getreten sind, leiden die Tennisabteilungen im Landkreis an Mitgliederschwund

Von Robert Stocker

Als die gelbe Filzkugel zum dritten Mal hintereinander von der Netzkante tropft, ist endgültig Schluss mit lustig. Das Gesicht des Verlierers läuft hochrot an, wutentbrannt schleudert er seinen Schläger zu Boden. "So viel Staun, das gibt's doch nicht", schreit der Mann im besten Alter zu seinem Gegner hinüber, "normal hätte ich nie verloren". Ja, so sehen die kleinen Tragödien aus, die sich auf Tennisplätzen abspielen können. Da können Welten zusammenbrechen. Da geht es nicht nur um Sieg und Niederlage, sondern um das Selbstwertgefühl eines Mannes, der sich mit Kniebandagen für ein Match präpariert. Und sein Ehrgeiz steigt direkt proportional mit dem Alter.

Doch solche Schauspiele auf rotem Sand werden immer seltener. Die Männer mit den Kniebandagen wandern zunehmend zum Golfplatz ab, weil sie sich dort nicht mehr so schnell bewegen müssen. Und der Bauchansatz ist hier kein großes Handicap. Man schlendert gemütlich über das Grün, schlägt eine kleine Plastikkugel durch die Prärie, um ihn schließlich in einem Loch zu versenken. Netzkante? Linie? Gibt es nicht, und schon gar nicht einen wutschnaubenden Gegenspieler, den man mit einem Stoppball auf die Palme bringt. Doch das stört auch die Jugend nicht. Wichtig ist für sie nicht mehr Topspin und Slice, sondern nur noch ihr Handicap. Seitdem Boris Becker und Steffi Graf von der großen Bühne abgetreten sind, ist der Tennisboom hierzulande vorbei. Die deutschen Galionsfiguren sind verschwunden, und mit ihnen offenbar die Begeisterung für diesen Sport.

Das bekommen auch die Vereine im Landkreis zu spüren. Die Tennisabteilungen leiden an einem Mitgliederschwund, Nachwuchs ist nur noch schwer zu finden, Mannschaften werden abgemeldet, weil es zu wenige Spieler gibt. Nur noch ein paar Eingeschworene halten das Fähnlein hoch, so wie die Familie Frühauf beim SV Haimhausen. Manche kommen eben vom Tennis nicht los, weil sie die Schauspiele auf dem roten Sand nicht missen wollen.

© SZ vom 13.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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