Mitten im Landkreis:Goodbye, Mofa

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Das azurblaue Mofa wartet seit mehr als zwei Wochen auf seinen Besitzer. (Foto: privat)

An der Gündinger Waldstraße steht seit zwei Wochen ein altes, azurblaues Mofa. Das triste Bild hat Symbolcharakter

Von Benjamin Emonts

Einsam und unausgelastet lehnt das azurblaue Mofa an der Bushaltestelle in der Gündinger Waldstraße - einfach so im Regen stehen gelassen, seit mindestens zwei Wochen. Ob der Besitzer für längere Zeit verreist ist oder schlichtweg nach einer Trunkenheitsfahrt nicht mehr weiß, wo er sein Gefährt abgestellt hat, ist reine Spekulation. Ganz sicher aber hat das triste Bild vom verlassenen Mofa einen gewissen Symbolcharakter.

Denn die Tage des Mofas scheinen gezählt zu sein. Vorbei die Zeiten, in denen Mofabanden die Dörfer und Straßen des Landkreises noch unsicher machten. Hercules, Zündapp und Kreidler hießen die Zweitakter, oft noch mit Pedalen, die lautstark über den Asphalt knatterten und einen schon aus der Ferne wissen ließen: Die Dorfraudis kommen! Die Mofas hinterließen blaue Rauchwolken und einen unverwechselbaren Abgasgestank, den das verbrannte Benzin-Ölgemisch verursachte. Mit größeren Vergasern und Ritzeln ausgestattet, rauschten die frisierten Zweiräder durch das ländliche Idyll. Und sahen irgendwie auch cool aus.

Im Zeitalter von Facebook und Smartphones jedoch hat auch das gute, alte Mofa an Beachtung verloren. Wer überhaupt noch einen Führerschein macht, geduldet sich bis zu seinem 17. Lebensjahr oder fährt mit einem dieser gedrosselten, hypermodernen Motorroller, die sich anhören wie ein gigantischer Föhn. Vor zehn, fünfzehn Jahren hätte ein Mofa wie jenes in Günding, übrigens Typ Hercules, niemals zwei Wochen so unbeachtet herumgestanden. Mofabanden und -liebhaber hätten in Nacht- und Nebelaktionen wertvolle Teile entwendet und an ihren eigenen Gefährten verbaut - oder die Zweiräder gleich ganz mitgenommen. Die Lust am Schrauben und Montieren hat die Jugend von heute weitestgehend verloren. Die Mofabanden treffen sich jetzt auf Facebook oder daten sich über Tinder.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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