Mitten im Landkreis:Gefahrenherd Vanillekipferl

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Entgegen landläufiger Meinung sind Juristen Menschen mit Humor, ihren Humor versteht nur keiner. Manchmal ist es auch andersrum: Die Leute lachen, aber die Juristen meinen es völlig ernst

Von Gregor Schiegl

W äre der Evangelist Matthäus Jurist gewesen, läse sich der Besuch der drei Weisen aus dem Morgenland so: "Es kam zu einer Schenkung gemäß Paragraf 516 Absatz 1 BGB durch die nicht einheimischen Potentaten zugunsten des neugeborenen Jesus', der jedoch aufgrund seiner altersbedingten Geschäftsunfähigkeit aufgrund des noch nicht vollendeten siebten Lebensjahres (vergleiche Paragrafen 104 Satz 1 und 106 BGB) die Annahme dieser Schenkungen nicht gemäß Paragraf 516 Absatz 2 Satz 1 erklären konnte, so dass seine Eltern dies für ihn taten (gemäß Paragraf 1629 Absatz 1 Seite 1 und 2 BGB)."

Der zitierte Auszug stammt aus einem Beitrag im "Law Blog". Entgegen landläufiger Meinung sind Juristen Menschen mit Humor, ihren Humor versteht nur keiner. Manchmal ist es auch andersrum. Die Leute lachen, aber die Juristen meinen es völlig ernst. Zum Beispiel: Ist es verboten, Menschen, die es nicht so gut haben wie wir, mit selbst gebackenen Plätzchen zu erfreuen? Man will es kaum glauben, und ahnt es doch schon. Die Antwort lautet ja. Dann nämlich, wenn es um Flüchtlinge geht. Laut Landratsamt ist es verboten, selbst gemachte und unverpackte Lebensmittel in die Unterkünfte mitzubringen: Hygienebestimmungen. Fürsorgepflicht des Staates. Vanillekipferl als Gefahrenherd. Kokosmakronen als Gesundheitsrisiko. Nur der eingeschweißte Industrielebkuchen vom Supermarkt geht durch. So wird Nächstenliebe rechtskonform.

Wenn das nicht so deutsch wäre, müsste man sagen, Herrgott noch mal, ist das alles wieder deutsch! Die Großherzigkeit der Bürger wird von der Engstirnigkeit der Bürokraten konterkariert. Das ist frustrierend und demotivierend. Natürlich kann eine Behörde nicht einfach Gesetze ignorieren, aber manchmal wäre eine weniger restriktive Handhabung doch wünschenswert. Weihnachten war immer auch eine Zeit der Gnade.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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