Mitten im Landkreis:Der Ursprung des Sommerlochs

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Für die ereignislose Zeit in den Ferien gibt es unterschiedliche Erklärungsversuche, die mehr oder weniger plausibel sind. In Dachau weiß man diese Zeit gut zu füllen. Dort hat man gegen die Tristesse ein Volksfest eingeführt

Von Walter Gierlich

Meine Damen und Herren, heute wollen wir uns in unserem sprachwissenschaftlichen Seminar mit der etymologischen Herleitung und dem historischen Bedeutungswandel eines Begriffs beschäftigen, der uns derzeit in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen häufig begegnet: dem Sommerloch.

Bei der Suche nach dem Ursprung des Begriffs stoßen wir auf unterschiedliche Erklärungsversuche. Da finden wir beispielsweise in einem grundlegenden Buch des Ethnologen Jacob McGrim von der Highland University Inverness über "The Legends of Scotland" eine sehr plausible Deutung. Er leitet den Begriff vom Loch Sommer her. Der Name dieses Sees soll sich als Symbol für eine völlig ereignislose Zeit weltweit ausgebreitet haben, weil dort nie ein Ungeheuer beobachtet werden konnte wie am benachbarten Loch Ness.

Eine ganz andere, wesentlich handfestere Deutung bietet der Linguist Thørbjørn Andersøn von der Nordisk Universitøt Thule in seinem Fundamentalwerk "Der Einfluss des Dänischen auf die Sprachen der Inuit im autonomen Gebiet Grønland". Die Ureinwohner der arktischen Insel, die man früher politisch unkorrekt als Eskimos bezeichnete, hätten für ein ihnen zwar schon lange bekanntes, aber namenloses Naturphänomen einen Begriff aus der Sprache der dänischen Kolonialherren übernommen. Wenn in den wenigen warmen Wochen des Jahres die Eisdecke auf der Oberfläche zu schmelzen beginnt und sich Spalten und Risse auf den Gletschern bilden und die Fahrten mit den Hundeschlitten erschweren, dann sprechen die Inuit von Sømmerløkern. Es handelt sich also, meine Damen und Herren, letztlich um das, was bei uns Frostaufbrüche auf den Straßen sind, nur eben nicht schon im Frühling. Bei der Eindeutschung sei das Wort dann nach Auskunft Andersøns im übertragenen Sinn verwendet worden.

Der bayerische Historiker Franz-Josef Hauff neigt in seinem Essayband über "Das Schweigen der Medien" jedoch eher der Ansicht des schottischen Wissenschaftlers von der wahrhaft "staaden Zeit" zu. Zwar, so schreibt er, kämen Journalisten im Monat August durchaus des Öfteren ins Stolpern und Schleudern. Ursache seien aber nicht Schlaglöcher, sondern entlaufene Schnappschildkröten oder herumgeisternde Kängurus.

Hauff weist allerdings darauf hin, dass es seinen bauernschlauen Landsleuten in manchen Gegenden gelungen sei, die ereignislose Zeit nach der Getreideernte zu füllen. In Dachau etwa hat man schon im 17. Jahrhundert ein Volksfest gegen die Tristesse eingeführt. Dort wird auch der nächste Seminartermin stattfinden. Thema ist dann der Ursprung des Masskrugs.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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