Mitten im Landkreis:Aufg'füllt werd

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Um die Flut an Einwegbechern einzudämmen, benutzen die Mitarbeiter des Landratsamts nur noch Kaffeetassen. Die Bierflaschen wurden noch nicht ausrangiert - man könnte sie durch persönliche Krüge ersetzen

Kolumne von Gregor Schiegl

Bayern gilt als Land des Bieres, wo ein Großteil der Bevölkerung in Festzelten wohnt, sich zünftige Tubisten die Lippen am "Prosit der Gemütlichkeit" wundspielen und Krüge wie das Gehörn brünftiger Steinböcke beständig aneinanderkrachen. Seitdem die CSU neben der Lederhose aber auch den Laptop im Freistaat eingeführt hat, ist es vorbei mit der Gemütlichkeit. Statt der Hopfendolde regiert nun die Kaffeebohne, ohne sie würde unsere Volkswirtschaft nicht funktionieren; auch dieser Text wäre ohne die stimulierende Wirkung der röstfrischen Redaktionsbohne wohl nie über den ersten Satz "Bayern gilt als Land des Bieres" hinausgekommen.

Gehetzte Büromenschen holen sich beim Bäcker ihren täglichen "Kaffee Togo", den sie beim Sprint von der Haustür zur S-Bahn herunterstürzen. Allein in Deutschland gehen stündlich 320 000 Einweg-Kaffeebecher über die Ladentheken - und landen kurze Zeit später im Abfall. "Auch in unserem Landkreis türmt sich ein gigantischer Berg aus Einwegbechern", schreibt das Landratsamt. Um dem entgegenzuwirken hat man sich dort ein Projekt ausgedacht, das sich im Sprachduktus an die Wiesn mit seinem "Ozapft is" anlehnt: Es nennt sich "Aufgfüllt werd im Dachauer Land". Dort kann man sich den heißen Bohnensaft entweder in eine Pfandtasse abfüllen lassen oder in den selbst mitgebrachten Becher. Das ist nicht nur umweltfreundlich, sondern erlaubt auch mehr Individualität, etwa durch Aufdrucke wie "Fresst meinen Sternenstaub, ihr Langweiler!", "Ich möchte einmal mit Profis arbeiten" oder "Ziele habe ich genug im Leben, nur zu wenig Munition." Einige gewähren den Selbstabfüllern sogar Preisnachlass.

Inzwischen haben sich fast 30 Kaffeeverkaufsstationen im Landkreis Dachau dem Projekt angeschlossen, davon allein elf in der Großen Kreisstadt, aber auch auf dem Land machen viele Bäckereien mit. Welche das genau sind und wie man sich als umweltbewusster Kaffeeanbieter an der Initiative beteiligen kann, steht auf der Homepage www.aufgfuellt-werd.de. Schön wäre auch, wenn man sein Bier unterwegs im eigenen Glaskrug trinken dürfte, doch so weit ist noch nicht mal der innovative Landkreis Dachau. Hier wird das "Bier to go" nach wie vor wahlweise in der Weißblechummantelung der Dose oder in der klassischen bauchigen Flasche verkauft.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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