Mitten im Homeoffice:Das Zuhause im Büro

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Eine Trennung zwischen Beruf und Freizeit hinzubekommen, ist gar nicht so einfach. Selbst Tricks haben ihre Tücken

Kolumne von Jana Rick

Wer hätte gedacht, dass einmal der Tag kommen wird, an dem man die S-Bahn vermisst. Die gekünstelt bayerische Stimme der S-Bahndame, ja sogar das morgendliche Rätselspiel, ob man heute mit einer Weichenstörung, einem Notarzteinsatz oder einer Stellwerkstörung konfrontiert wird. Nach fast zwei Monaten im Homeoffice kommen einem die täglichen Pendlerfahrten weit weg vor, man hat den Überblick verloren, welche Monatskarte man kaufen müsste und bis zu welchem Ring die neue M-Tarifzone gilt. Denn der Arbeitsweg zu Corona-Zeiten hat sich drastisch verkürzt, auf den Weg vom Frühstückstisch in der Küche zum Nebenraum an den Schreibtisch. Vier Sekunden Arbeitsweg - Rekordzeit. In den ersten Wochen erschien es noch wie ein Traum: Man vermeidet vollgestopfte S-Bahnen, spart sich jeden Tag viel Zeit und muss sich keine Gedanken über geeignetes Schuhwerk machen. Doch der kurze Arbeitsweg hat es in sich: Nach einigen Wochen Homeoffice weiß man nicht mehr, ob man jetzt eigentlich im Büro zuhause ist oder zuhause im Büro. Das Laptop bleibt den ganzen Tag über an, E-Mails werden eben auch mal noch spät abends vom Sofa aus beantwortet. Feierabend - das Wort kommt einem fast schon fremd vor, man ist schließlich rund um die Uhr zuhause. Oder im Büro?

Im Radio wird über die "Arbeitsfalle Homeoffice" diskutiert und ein Tipp zum Abschalten gegeben: Man solle pünktlich zum Arbeitsschluss das Haus verlassen, einmal die Straße rauf und runter gehen und dann wie gewohnt "nach Hause kommen". Klingt nach einer guten Strategie, um den Homeoffice-Teufel auszutricksen. Also wird um Punkt 17.30 Uhr die Arbeitstasche gepackt, die im Schrank mittlerweile von einer dünnen Staubschicht bedeckt ist. Routinemäßig greift man noch nach der Schutzmaske. Der Wohnungsschlüssel steckt noch von innen in der Tür, man war schließlich den ganzen Tag zuhause. Also im Büro. Gut gelaunt schlendert man schließlich einmal um den Häuserblock, stellt sich vor, man würde vom Bahnhof nach Hause laufen. Dort wieder angekommen, tastet man die Hosentasche ab, durchwühlt die Arbeitstasche - doch den Wohnungsschlüssel sucht man vergeblich. Der Homeoffice-Teufel lacht hämisch. Bleibt zu hoffen, dass der Schlüsseldienst nicht im Homeoffice arbeitet.

© SZ vom 14.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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