Mitten im Hofladen:Klauen mit gutem Gewissen

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Wer regionale Produkte kauft, ist meistens umweltbewusst. Doch auch Kunden mit dickem Geldbeutel wollen oft nicht zahlen

Kolumne von Thomas Radlmaier

Regionale Lebensmittel boomen. Immer mehr Menschen wollen Obst und Gemüse direkt beim Erzeuger kaufen. Am liebsten wäre es so manchem Käufer, wenn er die Kartoffel selbst aus dem Acker zieht. Das ist ja auch irgendwie verständlich, wenn man das Gammelgemüse sieht, das am Wochenende in dem ein oder anderen Supermarkt in den Regalen liegt. Zudem kann man im Hofladen reinen Gewissens einkaufen und, nun ja, die Welt verbessern. Zum Beispiel spart man CO2. Super Sache das alles. Und das ist wirklich ernst gemeint. Das Folgende nicht so ganz. Aber man fragt sich halt, wer dieser Weltverbesserer das Vertrauen der Landwirte ausnutzt und Tomaten, Äpfel oder Honig aus dem Hofladen klaut?

Die Antwort: Es können eigentlich nur Mitglieder der Münchner Schickeria sein. Doch bevor es weitergeht, möchte der Autor dieser Zeilen betonen, dass er selbst in München wohnt und das sehr gern. Er ist also legitimiert dazu, über den typischen Hofladen-Dieb zu schreiben. Nennen wir diesen Justus. Er ist Anfang 30, Sohn eines reichen Unternehmers und BWL-Student im 15 Semester. Er wohnt im Lehel in einer 100-Quadratmeter-Wohnung, die ihm sein Papa zum Geburtstag gekauft hat. Justus achtet sehr auf seine Ernährung. Letztens hat er in der Zeitschrift Men's Health gelesen, dass, wer regionale Produkte kauft, CO2 spart. Das findet Justus natürlich gut, weil Umweltschutz und so ja extrem wichtig ist. Also steigt er samstags in seinen Porsche Cayenne, der gefühlt 30 Liter auf 100 Kilometer durchbläst, und fährt damit in die Prärie. Am Hofladen angekommen packt er Tomaten, Gurken, Zwiebeln, Äpfel und Honig in den Jutebeutel, bis der voll bis oben ist. Leider hat es Justus gerade nicht passend. Er hat nur einen 100-Euro-Schein im Portemonnaie. Das nötige Kleingeld fehlt ihm leider. Das hat er letztens einem Obdachlosen geschenkt, weil ihn zu viele Münzen im Geldbeutel nerven. Doch damit hat er ja bereits etwas Gutes getan, denkt sich Justus. Also muss er jetzt nicht mehr für regionale Produkte bezahlen und fährt weg. Ein Dieb, der mit gutem Gewissen klaut.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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