Mitten im Amtsgericht:Vorsicht vor den Germaniten!

Wenn einer vor Gericht erwartet wird, der dem Staat jegliche Rechtmäßigkeit abspricht

Von Benjamin Emonts

Einer der wesentlichen Vorzüge im Leben eines hiesigen Pressevertreters ist, dass ihm die Eingangskontrollen am Amtsgericht Dachau erspart bleiben. Unter Vorzeigen eines Ausweises darf er die Sicherheitsschleuse passieren. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch das peinliche Ausleeren der Hosentaschen, in denen von Zeit zu Zeit eine gewisse Unordnung herrscht.

Umso größer war das Erstaunen, als jüngst ein Sicherheitsbeamter höflich darauf hinwies: "Heute müssen wir Sie leider kontrollieren." Wenig später sezierte er den Tascheninhalt und warf einen prüfenden Blick auf das Handy. Denn die Verhandlung, die gleich beginnen sollte, war keine alltägliche: Der Angeklagte war Germanit!

Germaniten sprechen der Bundesrepublik Deutschland und damit auch ihrer Rechtsprechung jegliche Rechtmäßigkeit ab. Sie betrachten sich als Bürger eines souveränen Staates namens Germanitien. Sie drucken eigenes Geld, stellen sich eigene Ausweise aus und geben sich Namen wie Andreas von Hopfen oder Jürgen von München. Bei Gerichtsverhandlungen, so erklärt der Richter die verschärften Kontrollen, machen sie gerne Tonmitschnitte, die sie propagandistisch ausschlachten. Postsendungen, etwa Vorladungen des Gerichts, senden sie zurück mit dem Verweis: "Die Deutsche Post = Betrug."

Der Vorsitzende Richter ahnte folglich, dass der Angeklagte nicht zur Verhandlung erscheinen würde. Angeblich litt er unter Brechdurchfall. Auf ihrer Webseite schreiben die Germaniten paradoxerweise: "Wir fördern Gesundheit statt Krankheit." Für Februar ist ein neuer Verhandlungstermin angesetzt - mit verschärften Kontrollen.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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