Mitten im Acker:Lärm und Gestank

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Mit dem Frühling erwacht nicht nur die Natur, sondern auch die Begeisterung der Motorsportler. Auch die Bauern fahren wieder fleißig aus - und odeln

Von Viktoria Großmann

Frühling ist nichts für Feingeister. Nach der Stille, der Farb- und weitgehenden Geruchlosigkeit der Wintermonate, fällt der Frühling mit Lärm, Gestank und fragwürdigen Modefarben über die Menschen her. Von Frühlingserwachen kann unter den von plötzlichem Sonnenschein Ermüdeten überhaupt keine Rede sei, und wer nicht gern aufsteht, dem entlockt auch die wieder erweckte Natur nichts als ein Morgenmuffelgesicht. Während man früh noch schlaftrunken durch die Wohnung tapst, tirilieren einem die Amseln vor, dass sie schon ganz ungeheuer munter und fidel sind. Will man abends auf dem Balkon entspannen, dreht der Nachbar seine Boxen in den Frühlingswind. Soviel zum Lärm.

Auch für Geruchsempfindliche ist der Frühling eine Qual. Ja, die Hyazinthen und die Schlehen. Die kommen leider nicht gegen die Abgasgerüche der aus den Garagen geholten Motorroller und Oldtimer-Cabrios an. Von Glück sagen können jene, welche die Nasen von Pollen so voll haben, dass ihnen die Gerüche, die von den Feldern in die Städte wehen, glatt entgehen. Auf den Feldern wird gedüngt, und zwar, da sind die Bauern so traditionsverbunden wie sparsam, mit Gülle. Zur Erklärung heißt es, darin enthalten seien Stickstoff, Kali und Phosphor, die äußerst wichtig seien für die Feldfrucht. Doch das kann erstens nicht davon ablenken, dass Naturschützer der Meinung sind, es sei schon viel zu viel Stickstoff im Boden und zweitens auch nicht davon, dass es sich dabei um Kot von Schweinen und Rindern handelt. So riecht es denn auch.

Warum, lieber Landwirt, muss das ausgerechnet jetzt in dieser sonnigen, milden, blauhimmeligen, rosablütenüberzuckerten Jahreszeit sein? Weil, so erklärt der bayerische Bauernverband in einer Pressemitteilung, genau jetzt zum Beispiel der Winterweizen besonders gut wächst und Nährstoffe braucht. 15 bis 25 Kubikmeter Rinder- oder Schweinegülle kommen auf einen Hektar Winterweizenfläche. Am besten, wenn es warm ist, denn dann wirke die Gülle "optimal". Diese Weisheit gilt mit Sicherheit schon seit Jahrhunderten, was zeigt, dass Mörikes Vers von den "süßen, wohlbekannten Düften" nicht nur erlogen ist, sondern auch erstunken.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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